Man muss schon ein bisschen irre sein, um an einen perfekten Kommentar wie den von Sweetsmell75 noch einen dranzuhängen. Oder ein bisschen überheblich. Oder man kann nicht anders, man will einfach, dass dieses Parfum die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient. Und so geht es mir.
Ich hätte da gleich zu Beginn eine Frage: Wenn Ihr an „Aphrodite“ denkt, oder von mir aus an ihr römisches Pendent, an Venus: Welches Bild habt Ihr vor Augen? Ist es eines von Sandro Botticelli, das die Göttin nackt auf einer Muschel stehend zeigt, mit den Haaren im Wind? Ich wette, es ist so. Aber falls nicht, dann holt Euch das Bild her, googelt es wenn nötig, damit Ihr wisst, wovon ich rede. Ich brauche es für diesen Duft.
Ich glaube nämlich, dass „Die Geburt der Venus“ mehr als 500 Jahre überdauert hat, von Warhol bis zur Reklame für Damenrasierer unzählig oft bemüht wurde und so spielend leicht aus unserem Gedächtnis abrufbar ist, weil es Botticelli gelungen ist, einen Archetypus zu schaffen, das Bild einer Göttin, oder eigentlich: das Göttliche im Weiblichen so zu bannen, dass wir es mit der Seele verstehen, bevor unser Verstand es kann, und auch darüber hinaus.
Und ich habe so ein Gefühl, als ob 532 Jahre später Paolo Terenzi genau das wieder gelungen sein könnte: mit einem Parfum. Mit Zitaten und Anspielungen in der Wahl der Komponenten und einem meisterlich gestalteten Verlauf malt er das Bild neu, olfaktorisch, in unsere Sinne und unsere Seelen.
Der allererste Eindruck beim Aufsprühen des Duftes gehört dem rosa Pfeffer, der eine diffuse Erregung schafft, eine unruhige Erwartung, als ob etwas in der Luft läge, bevor er, fast sofort, von weißem Flieder überbrandet wird, der, komplexer und auch weniger unschuldsvoll als seine violetten Geschwister, mich wild umspült, dann gebunden wird von der zarten, sinnlichen, fast leuchtenden Süße des weißen Pfirsichs.
Erinnert Ihr Euch noch an Botticellis Bild? An das Brausen der Lüfte, die schäumende Gischt und mitten in diesem Getöse die schaumgeborene Venus, strahlend und süß? Genauso riecht das. Vanille zeichnet weich, weiße Johannisbeere sorgt dafür, dass der Duft bei aller Süße nicht süßlich wird und bewahrt ihn wie später auch die Iris, gerade eben an der Schwelle des Wahrnehmbaren davor, ins Triviale abzugleiten.
Mit der Zeit wird die fruchtige Pfirsich-Note verhaltener, während der Flieder in meiner Wahrnehmung über viele Stunden bleibt. Der Duft wird jetzt blumiger, Maiglöckchen verströmen kühle Schönheit, wieder gebunden von der süß-cremigen Tuberose, die dieses eine Mal nicht auftrumpfen, sondern nur zärtlich sein möchte: das Herz des Parfums gehört der Göttin. Wie sie, ist der Duft in dieser Phase in sich versunken, ganz bei sich selbst, der Aufmerksamkeit, die er erregt, nicht bewusst, oder sagen wir: nicht an ihr interessiert. Er umgibt seine Trägerin mit einer Aura, die strahlt, einer Schönheit, die weder jung noch reif ist, sondern zeitlos, ewig.
Terenzi ist klug genug, in seiner Basis nicht der naheliegenden Versuchung einer Tonkabohne, einer sublimen Vanille oder etwas Ähnlichem zu erliegen, die den Duft zu gefällig gemacht hätten. Und es stimmt, ich weiß nicht, wie Ebenholz riecht. Aber ich stelle mir vor, dass es neben dem Patchouli, das ich, weil ich es nicht wirklich herausriechen kann, als gegeben hinnehme, für das sorgt, was ich „Erdung“ nennen würde, auch wenn das ein unpassender Begriff für eine Göttin ist. Vielleicht aber auch für etwas mystisches. Sandelholz und weißer Moschus verleihen eine verspielte, unaufdringliche Wärme, Ambra körperliche Sinnlichkeit. Und dann wären da noch die Pheromone: Ob sie dieser Duft braucht, kann ich nicht sagen. Aber wenn man ihn riecht und verzaubert ist und lächeln muss, dann hat das vielleicht auch etwas mit ihnen zu tun.
Sweetsmell75 hat recht, sehr recht sogar, wenn sie sagt, dass der Drydown besonders ist: nah an meiner Haut bleibt er über Stunden wie die wunderbare Erinnerung an etwas, das vollkommen war.
Ich glaube, als Botticelli seine Venus malte, da hat er die Frauen geliebt: so sehr, dass er ihnen ein Denkmal setzen wollte. Und Terenzi tut dasselbe. Er gibt mir, wenn ich den Duft der Aphrodite trage, eine Ausstrahlung, eine Aura mit auf den Weg, die mich mit einer Göttin verbunden fühlen lässt – und mit jeder einzelnen anderen Frau.
Nachtrag: Mein besonderer Dank gilt Sweetsmell75, die, ohne es zu wissen, mich durch ihren Kommentar zu diesem glücklichen Blindkauf inspiriert hat und an Covex, der mich ermutigte, ihrem Urteil blind zu vertrauen.