09.04.2010 - 07:16 Uhr
Profumo
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Profumo
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34
Purer Luxus!
Nicht das erste Cuir de Russie, vermutlich jedoch das beste, auf jeden Fall aber das berühmteste! Für viele der ultimative Lederduft, neben Carons Tabac Blond, mit dem er häufig verglichen wird. Doch während das ältere Tabac Blond eher ernst und gemessen, dabei jovial daherkommt, vermittelt Chanels Cuir de Russie ein wenig von der ungezügelten Lebensfreude und den lustvollen Amusements der - vermutlich nur in wohlhabenden Kreisen - ‚goldenen Zwanzigern’.
Der russische Großherzog Dimitri Pawlowitsch Romanow, Liebhaber von Gabrielle Chanel, soll diese einst mit dem in Moskau geborenen und ausgebildeten Ernest Beaux bekannt gemacht haben. Vor allem mit dem legendären No 5, aber auch mit Bois des Iles, Gardenia, No 22 und eben jenem Cuir de Russie schrieben sie gemeinsam Parfumgeschichte. 1924, drei Jahre nach No 5, schuf Ernest Beaux, als Reminiszenz an seine Zeit als junger Parfumeur im zaristischen Russland, sein Cuir de Russie. Und wie bei allen Cuir de Russie-, Kölnisch Juchten-, oder Russisch Leder-Düften steht auch bei seiner Version das bitter-rauchige Birkenteeröl (auch schwarzes Birkenöl oder Russisch-Leder-Öl) im Mittelpunkt. Kombiniert mit Styrax, einem Räucherharz, entsteht der für diese Düfte so typische Lederakkord. Russische Kossacken sollen ihre Lederstiefel der Legende nach mit Birkenrinde abgerieben haben, um diese zu imprägnieren. Exakt dieses Bild möchten die Cuir de Russie-Düfte transportieren, und so ist auf dem Flakon von Pivers Version dieser Duftgattung auch ein in klobigen Lederstiefel tanzender Kossacke, nebst Mamutschka, abgebildet. Schon sehr früh, genauer:1877, bot auch Guerlain ein Cuir de Russie an. Viele weitere folgten, und bis weit in das neue Jahrhundert hinein erfreuten sich diese Düfte großer Beliebtheit, besonders bei Männern.
Für Coco Chanel, die als Designerin die Damenmode revolutionierte indem sie Frauen mit bisher Männern vorbehaltenen Kleidungsstücken wie Hosen und Anzüge ausstattete, war es daher vielleicht nahe liegend, auch ein von Herren - besonders in russischen Emigrantenkreisen - geschätztes Parfum der Damenwelt zugänglich zu machen. Und da in den zwanziger Jahren ohnehin ein kräftigerer, heute fast maskulin anmutender Duftstil für Damen ‚en vogue’ war, brauchte Ernest Beaux gar nicht viel um sein Cuir de Russie den Frauen schmackhaft zu machen: ein paar der für ihn typischen Aldehyde, Blütenakkorde von Iris, Rose, Ylang-Ylang und Jasmin, etwas heller Tabak, sowie einige Tropfen Amber und Vanille – und aus dem herb-männlichen, zumeist rauen und kantigen Cuir de Russie wurde ein warmer, weicher, vor allem aber androgyner Lederduft von aristokratische Eleganz und beinahe plüschiger Opulenz – für Frauen wie Männer, oder besser: Damen und Herren, gleichermaßen tragbar. Wie alle Kreationen von Ernest Beaux, so hat auch dieser Duft große Kraft und Ausdauer ohne raumsprengend zu sein. Er ist nicht unbedingt nobel zurückhaltend, dafür ist er zu gehaltvoll, aber er schreit auch nicht vulgär herum – nein, selbstbewusst macht er auf sich aufmerksam!
Für mich ist Chanels Cuir de Russie der Inbegriff von Luxus. Kaum ein anderer, vielleicht noch Guerlains Mouchoir de Monsieur oder Amouage Gold, vermittelt mir vergleichbar deutlich den Eindruck von eleganter Grandeur und rauschhaftem Überfluss. Er ist der Rolls-Royce unter den Düften, ein großer, alter herrschaftlicher Rolls-Royce mit heller Lackierung, weinroten Ledersitzen und edlem Mahagoni. Zudem verleiht ihm eine leichte, aber deutlich wahrnehmbare animalische Note, bei aller Noblesse, eine gewisse Verwegenheit und Dekadenz – gerade so als amüsierten sich die russischen Lebedamen und Herren, champagnerselig bei einer frivolen Pariser Revue.
In einem Artikel der Sunday Times mit dem Titel: ‚Late bottled vintage - when it comes to men’s perfumes, they don’t make them like they used to’, wird Chanels Cuir de Russie unter den acht ‚Mens classics’ mit der Bemerkung versehen: ‚Smooth leather that sinks gracefully to a rude animal note. Sold as a women’s fragrance, but its take on femme is so Dietrich in drag, it may as well be pour homme.’ Dass an anderer Stelle auf Eau d´Hermès gemünzte: ‚The divine stink of shameless and corrupt wealth.’ – könnte ebenso gut das Motto des Duftes von Chanel sein.
Cuir de Russie ist kein Alltagsduft, zumindest nicht für mich. Ich trage ihn ausschließlich zu festlichen Anlässen, mit Anzug und Manschetten – in vollem Ornat, sozusagen. Und wenn dann der Duft sich wie ein edler Pelz um einen schmiegt - dann, ja dann schwebe ich im siebten (Parfum-)Himmel...
In den siebziger Jahren war das Cuir de Russie von Chanel wie so viele Klassiker gänzlich vom Markt verschwunden und man kann Jacques Polge nicht genug dafür danken, dass er es ein Jahrzehnt später mit drei weiteren Ernest Beaux Kompositionen wieder einführte, als exklusive, den Chanel-Boutiquen vorbehaltene,‚Rue Cambon’ genannte Reihe. Wiederum zwanzig Jahre später, verschmolzen diese mit sechs weiteren, von Jacques Polge kreierten Düften zu einer ‚Les Exclusifs de Chanel’ genannten Serie, die seither wiederum ausschließlich in den eigenen Boutiquen verkauft wird, und mittlerweile um zwei weitere Düfte ergänzt wurde. Die zuvor als Parfum und Eau de Toilette angebotenen Rue Cambon-Düfte werden nunmehr, ebenso wie die Neuen, nur noch als Eau de Toilette dargereicht – leider nicht mehr in den alten 100ml Flakons, sondern in geradezu gigantischen, 200ml fassenden, kubischen Flakons von schlichter Eleganz, die aber - einmal in der Hand gewogen - unschlagbar das Gefühl von Luxus suggerieren. So großartig auch das Eau de Toilette ist, das Parfum von Cuir de Russie war noch grandioser: voller, saftiger und berauschender!
Es bleibt zu hoffen – und es wird gemunkelt – dass Chanel eines Tages die gesamte ‚Les Exclusifs’ Reihe auch in Parfum-Konzentration anbieten wird.
Nun, am besten ich fange schon mal an mir ein paar Kröten beiseite zu legen...
Der russische Großherzog Dimitri Pawlowitsch Romanow, Liebhaber von Gabrielle Chanel, soll diese einst mit dem in Moskau geborenen und ausgebildeten Ernest Beaux bekannt gemacht haben. Vor allem mit dem legendären No 5, aber auch mit Bois des Iles, Gardenia, No 22 und eben jenem Cuir de Russie schrieben sie gemeinsam Parfumgeschichte. 1924, drei Jahre nach No 5, schuf Ernest Beaux, als Reminiszenz an seine Zeit als junger Parfumeur im zaristischen Russland, sein Cuir de Russie. Und wie bei allen Cuir de Russie-, Kölnisch Juchten-, oder Russisch Leder-Düften steht auch bei seiner Version das bitter-rauchige Birkenteeröl (auch schwarzes Birkenöl oder Russisch-Leder-Öl) im Mittelpunkt. Kombiniert mit Styrax, einem Räucherharz, entsteht der für diese Düfte so typische Lederakkord. Russische Kossacken sollen ihre Lederstiefel der Legende nach mit Birkenrinde abgerieben haben, um diese zu imprägnieren. Exakt dieses Bild möchten die Cuir de Russie-Düfte transportieren, und so ist auf dem Flakon von Pivers Version dieser Duftgattung auch ein in klobigen Lederstiefel tanzender Kossacke, nebst Mamutschka, abgebildet. Schon sehr früh, genauer:1877, bot auch Guerlain ein Cuir de Russie an. Viele weitere folgten, und bis weit in das neue Jahrhundert hinein erfreuten sich diese Düfte großer Beliebtheit, besonders bei Männern.
Für Coco Chanel, die als Designerin die Damenmode revolutionierte indem sie Frauen mit bisher Männern vorbehaltenen Kleidungsstücken wie Hosen und Anzüge ausstattete, war es daher vielleicht nahe liegend, auch ein von Herren - besonders in russischen Emigrantenkreisen - geschätztes Parfum der Damenwelt zugänglich zu machen. Und da in den zwanziger Jahren ohnehin ein kräftigerer, heute fast maskulin anmutender Duftstil für Damen ‚en vogue’ war, brauchte Ernest Beaux gar nicht viel um sein Cuir de Russie den Frauen schmackhaft zu machen: ein paar der für ihn typischen Aldehyde, Blütenakkorde von Iris, Rose, Ylang-Ylang und Jasmin, etwas heller Tabak, sowie einige Tropfen Amber und Vanille – und aus dem herb-männlichen, zumeist rauen und kantigen Cuir de Russie wurde ein warmer, weicher, vor allem aber androgyner Lederduft von aristokratische Eleganz und beinahe plüschiger Opulenz – für Frauen wie Männer, oder besser: Damen und Herren, gleichermaßen tragbar. Wie alle Kreationen von Ernest Beaux, so hat auch dieser Duft große Kraft und Ausdauer ohne raumsprengend zu sein. Er ist nicht unbedingt nobel zurückhaltend, dafür ist er zu gehaltvoll, aber er schreit auch nicht vulgär herum – nein, selbstbewusst macht er auf sich aufmerksam!
Für mich ist Chanels Cuir de Russie der Inbegriff von Luxus. Kaum ein anderer, vielleicht noch Guerlains Mouchoir de Monsieur oder Amouage Gold, vermittelt mir vergleichbar deutlich den Eindruck von eleganter Grandeur und rauschhaftem Überfluss. Er ist der Rolls-Royce unter den Düften, ein großer, alter herrschaftlicher Rolls-Royce mit heller Lackierung, weinroten Ledersitzen und edlem Mahagoni. Zudem verleiht ihm eine leichte, aber deutlich wahrnehmbare animalische Note, bei aller Noblesse, eine gewisse Verwegenheit und Dekadenz – gerade so als amüsierten sich die russischen Lebedamen und Herren, champagnerselig bei einer frivolen Pariser Revue.
In einem Artikel der Sunday Times mit dem Titel: ‚Late bottled vintage - when it comes to men’s perfumes, they don’t make them like they used to’, wird Chanels Cuir de Russie unter den acht ‚Mens classics’ mit der Bemerkung versehen: ‚Smooth leather that sinks gracefully to a rude animal note. Sold as a women’s fragrance, but its take on femme is so Dietrich in drag, it may as well be pour homme.’ Dass an anderer Stelle auf Eau d´Hermès gemünzte: ‚The divine stink of shameless and corrupt wealth.’ – könnte ebenso gut das Motto des Duftes von Chanel sein.
Cuir de Russie ist kein Alltagsduft, zumindest nicht für mich. Ich trage ihn ausschließlich zu festlichen Anlässen, mit Anzug und Manschetten – in vollem Ornat, sozusagen. Und wenn dann der Duft sich wie ein edler Pelz um einen schmiegt - dann, ja dann schwebe ich im siebten (Parfum-)Himmel...
In den siebziger Jahren war das Cuir de Russie von Chanel wie so viele Klassiker gänzlich vom Markt verschwunden und man kann Jacques Polge nicht genug dafür danken, dass er es ein Jahrzehnt später mit drei weiteren Ernest Beaux Kompositionen wieder einführte, als exklusive, den Chanel-Boutiquen vorbehaltene,‚Rue Cambon’ genannte Reihe. Wiederum zwanzig Jahre später, verschmolzen diese mit sechs weiteren, von Jacques Polge kreierten Düften zu einer ‚Les Exclusifs de Chanel’ genannten Serie, die seither wiederum ausschließlich in den eigenen Boutiquen verkauft wird, und mittlerweile um zwei weitere Düfte ergänzt wurde. Die zuvor als Parfum und Eau de Toilette angebotenen Rue Cambon-Düfte werden nunmehr, ebenso wie die Neuen, nur noch als Eau de Toilette dargereicht – leider nicht mehr in den alten 100ml Flakons, sondern in geradezu gigantischen, 200ml fassenden, kubischen Flakons von schlichter Eleganz, die aber - einmal in der Hand gewogen - unschlagbar das Gefühl von Luxus suggerieren. So großartig auch das Eau de Toilette ist, das Parfum von Cuir de Russie war noch grandioser: voller, saftiger und berauschender!
Es bleibt zu hoffen – und es wird gemunkelt – dass Chanel eines Tages die gesamte ‚Les Exclusifs’ Reihe auch in Parfum-Konzentration anbieten wird.
Nun, am besten ich fange schon mal an mir ein paar Kröten beiseite zu legen...
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