Lilitu
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Warum nur habe ich so lange gewartet ???
Ja, warum nur habe ich so lange gewartet? Genau diese Frage stellt sich mir im Zusammenhang mit meiner neuesten Errungenschaft "Ange ou Démon" von Givenchy.
Am liebsten habe ich vor Corona meine Parfums im Duty-Free-Shop in den Flughäfen erworben. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich schon um "Ange ou Démon" herumgeschlichen bin. Denn natürlich hat mich der Name gereizt.
Gerne erinnere ich mich, an eine ehemalige Arbeitskollegin. Sie hielt immer laut Zwiesprache mit Ihren "Engelchen und Teufelchen". Sehr witzig - wie ein Schauspiel der Commedia dell'Arte.
Sie brachte mich dazu, mir das immer sehr bildhaft vorzustellen - auch bei mir selbst. Ich fühlte geradezu wie auch bei mir ein Engelchen und ein Teufelchen auf meinen Schultern saßen und mir Ihre Ratschläge einflüsterten. Und es ist immer noch so. Auf wen höre ich denn heute? Gewinnt der Engel oder der Dämon in mir oder sollte ich besser sagen auf mir?
Als ich dieses Parfum zum ersten Mal sah, musste ich diesen Duft unbedingt ausprobieren. Ich schnupperte voller Erwartung an dem Teststreifen und .... meine erste Reaktion ... soll ich es verraten? ... IGITT - die reine Abwehr! Das konnte doch gar nicht sein.
Givenchy hat tolle Düfte: "Ysatis", "Very Irresistible", "Amarige" und so weiter. Was gefiel mir an dem Parfum mit dem interessanten Namen nicht? Eine stechende unangenehme Note, die ich damals noch nicht näher definieren konnte, irritierte mich. Ab in den Papierkorb mit dem Teststreifen. Und was war? Ich habe stattdessen, ein anderes Parfum erworben. Ratet mal, was ich mir gekauft habe! Na, wer weiß es? Irgendwelche Ideen? Es war "Alien" - der ultimative Kracher. Aber dies ist eine andere Geschichte.
Ich gab nicht auf. Jahre später gab es "Ange ou Démon" im Sonderangebot im Duty-Free-Shop. Also wieder probiert. Diesmal war die stechende Note nicht mehr so präsent. Doch obwohl ich immer wieder am Teststreifen schnupperte, sie blieb doch präsent und störte mich einfach. Wie auch immer, sie machte für mich den Gesamteindruck kaputt. Denn die warme-kuschlige Note im Hintergrund gefiel mir schon irgendwie. Diesmal kaufte ich ein Eau de Parfum von Yves Saint Laurent. Nein, ich höre schon Eure Vermutungen. Es war nicht "Black Opium", sondern "Parisienne". Wurde also wieder nichts mit uns beiden.
Erst letztes Jahr rückte dieser doch sehr hartnäckige Duft wieder in meinen Fokus. Im Zuge meiner Recherchen zu "Opera" von Xerjoff kam ich auf Umwegen wieder zurück zu "Ange ou Démon". Hier bei Parfumo oder war es Fragrantica (?) wurde als Vergleichsparfum zu "Opera" doch tatsächlich "Ange ou Démon" angegeben. Mittlerweile war ich auch schon in Richtung Parfumzwillinge unterwegs, und bestellte mir doch tatsächlich ein Dupe von "Ange ou Démon", den ich sogar ganz annehmbar fand, doch mit einer unterirdischen Haltbarkeit. Doch es sollte noch fast ein Jahr dauern, bis ich es endlich wagte, das Original zu kaufen und das ganze sogar noch online - ohne nochmaligen Test zuvor. Also fast ein Blindbuy. Irgendwie.
Dementsprechend aufgeregt war ich beim Testen zu Hause. Nun endlich zum Duft-Test - ein paar Prisen auf ein neutrales Kosmetiktuch und auf mein Handgelenk gespritzt und los geht es:
Ein dezent frischer und zitrischer Start, der in eine süßliche warme Mandarine übergeht, überrascht mich. Ehrlich gesagt rieche ich nicht explizit Mandarine heraus, sondern etwas Fruchtig-Orangemäßiges. Sofort kommt der Thymian dazu - aber mild - nicht aufdringlich. Der Thymian ist gut zu erkennen. Der Safran wiederum ist kaum zu erahnen, bestenfalls verwoben mit dem Thymianduft. Diese würzige Mischung wird stärker - zumindest auf meinem Handgelenk.
Auf dem Kosmetiktuch bleibt die frische Note vom Start länger präsent.
Die Duftentwicklung auf meinem Handgelenk schreitet schon weiter voran. Verführerisch drängen sich die blumigen cremigen Noten der Orchidee und des YlangYlang in den Vordergrund. Im Hintergrund rieche ich noch etwas leicht Pudriges - vermutlich die Lilie. Ich liebe pudrige Duftelemente. Sie geben Parfums einen kuschligen Touch und manchmal auch eine elegante Richtung. Was für eine wunderschöne verwobene Komposition - verführerisch und kuschlig zugleich mit einen eleganten Schlenker. Ich stelle fest, meine Hautchemie passt perfekt zu diesem Duft. Nichts ist zu viel oder aufdringlich.
Ganz im Gegenteil steht dazu die Duftentwicklung auf dem Kosmetiktuch. Hier spielen das Pudrige und der würzig kühle Thymian nun die Hauptrolle. Die Betonung liegt aber auf kühl und zuerst noch mit der langanhaltenden zitrischen Frische vermischt. Nein, das ist falsch ausgedrückt. Die Thymian-Safran-Note geht hier in Richtung scharfes Kraut und sticht doch eher aus der kühlen Kombination heraus. Später verschwindet die Frische allmählich. Das krautartige Element bleibt bestehen. Insgesamt wirkt es auf mich eher wie ein medizinischer Geruch. Könnte vielleicht der Safran sein. Ich erinnere mich, dass einige Personen beschreiben, dass für sie "Baccarat Rouge 540" nach Zahnarzt riecht. Peu à peu wird es holziger und wärmer. Doch das Vanille-Tonka-Gemisch bleibt auf dem Kosmetiktüchlein leider nur im Hintergrund. Die scharfe stechende Note überragt doch alle anderen Duftbestandteile.
Zurück zu meinem Handgelenk: Hier kommt das Rosenholz langsam zu der harmonischen Komposition hinzu. Für mich bleibt das Eichenmoos eher dezent. Kaum wahrnehmbar. Beide Bestandteile vereinen sich in einem weichen kuschligen Vanille-Tonkabohnen-Bett. Verführerisch eben. Seufz. Duftet das schön. Schnupper, schnupper.
Sogar meinem Ehemann gefällt es diesmal. Da habe ich aber Glück gehabt. Oder er? Wer weiß?
Ich finde es sehr interessant, dass sich hier der Duft auf meiner Haut viel schöner entwickelt als auf dem Kosmetiktüchlein. Obwohl, jetzt wo ich noch einmal daran schnuppere - langsam wird es auch hier wärmer, weicher und angenehmer - immer weniger stechend.
Mittlerweile weiß ich natürlich, mit welcher Duftnote bzw. Duftnoten ich nicht zurecht gekommen bin. Ich habe die Schuldigen ausgemacht. Das Thymian-Safran-Gemisch hat mich abgeschreckt und wenn ich nicht mutig direkt auf meiner Haut getestet hätte - wer weiß, vielleicht würde ich den "Ange ou Démon"-Flakon ungenutzt in meinem Schrank vergammeln lassen. Was für eine Schande wäre das - so einen schönen Duft zu ignorieren. Ja, ich liebe diesen Duft. Lang hat es gedauert.
Diesen Freitag bin ich ausgegangen - habe mich mit ehemaligen Arbeitskollegen getroffen - endlich wieder nach langer Zeit. Auch die oben genannte Ex-Kollegin, die mit den Engelchen/Teufelchen- Zwiegesprächen, war dabei und alles war wie früher. Entspannt und lustig. Natürlich hatte ich mich in eine herrlich duftende Wolke von "Ange ou Démon" gehüllt. Was sonst auch, hätte gepasst.
Fazit: Dieser Duft ist geeignet zum Auszugehen - weniger für das Büro. Meiner Meinung nach ist er für alle Frauen geeignet - egal welchen Alters. Die Sillage und die Haltbarkeit sind bei mir eher mittelmäßig bis gut. Mit Tendenz zu gut.
Also, wartet nicht so lange mit dem Duftkauf, wie ich. Und wichtig testet ihn unbedingt auf Eurer Haut! Es lohnt sich.