Visiting Cologne
Zeit für einen Rückblick!
Nach einer Reise kommt das Sichten der Souvenirs und das Herunterladen und Sortieren (früher Einkleben und vielleicht sogar beschriften) der Fotos. So habe ich schon für mich selbst, zum Einordnen und Memorieren meiner Reiseerlebnisse, den Impuls, das zu systematisieren, was ich auf meiner Enteckungsreise durch das Cologne-Universum - meine Colonia-statt-Corona-Serie - bisher gelernt habe. Wenn jemanden von euch diese kurze Rückschau ebenfalls interessiert, umso besser!
Der Begriff des (Eau de) Cologne wird ganz verschieden verwendet, deshalb sei auch noch einmal rekapituliert, dass ich (ohne Anspruch auf "objektiv richtigen" Gebrauch der Begriffe) Kölnischwasser, (Eau de) Cologne, (Acqua di oder Agua) Colonia und Kolonya gleichbedeutend verwende, und zwar für einen sommerlichen (aber letztlich ganzjahrestaugleichen) leichten Duft von eher geringer Haltbarkeit mit starker zitrischer (oder anderweitig frischer) Komponente. Außen vor bleiben also die Düfte, die sich wegen ihrer formal niedrigen Duftstoffkonzentration zwar 'Eau de Cologne' nennen, aber schwerpunktmäßig z.B. gourmandig, ambrisch oder nach Rosen duften. Ebenfalls unberücksichtigt bleibt der amerikanische Wortgebrauch im allgemeinen Sinne von "Herrenduft". Ausgeschlossen habe ich schließlich auch die Lavendelcolognes, die durchaus klassisch und frisch sind, aber ein Universum für sich darstellen. Und das Cologne sollte auch 'Cologne' (oder Kölnisch Wasser) usw. heißen; also all die "Eaux Fraiches" und "Aqua Irgendwasse" sind ebenfalls nicht berücksichtigt worden.
Dies vorab geklärt habe ich auf meiner Reise gelernt, dass es verschiedene Richtungen von Colognes gibt. Auch diese sind natürlich nirgends "amtlich" katalogisiert, aber ich halte folgende Klassifizierung für nützlich:
Und jetzt der Test-Teil: In Fünf Gewichtsklassen jeweils vom schwächsten zum besten Cologne!
Am klassischsten sind die Kölnischwässer der Farina-Tradition, die sich typischerweise durch die fünf Komponenten Bergamotte, Zitrone, Neroli, Lavendel und Rosmarin auszeichnen. Natürlich können auch mal ein oder zwei dieser Zutaten fehlen oder durch ähnliche ersetzt sein. Die Wertung beginnt von unten kommend bei 5,5 Punkten für das Wasch Eau de Cologne von Bernoth (Colonia statt Corona No. 9). Entscheidend für die niedrige Wertung ist hier die wurstige Fremdnote. Nur noch ein Schatten seines früheren selbst ist das Original Eau de Cologne Johann Maria Farina Gegenüber, dem ich 7 Punkte gebe und dann schnell weitergehe (CsC No. 14). Innerhalb des Farina-Universums etwas orangigenlastig, aber auch eine nicht genehme animalische Beinote aufweisend ist Eau de Cologne du Coq von Guerlain, das mich nicht so überzeugt und nur sehr knappe 7,5 Punkte bekommt (CsC No. 8). Etwa auf einem Niveau mit dem als nächstes bewerteten "Klassiker" ist mit 7,5 Punkten der Brite im Spiel: Eau de Cologne von Penhaligon's. Ist eingestellt, und das ist nicht sooo schlimm (CsC No. 16). Der wahrscheinlich weltweit bekannteste Vertreter dieser Richtung gefällt mir da etwas besser: Echt Kölnisch Wasser von 4711. Ich wünsche dem ikonischen Duft ein langes Leben, benutze ihn selbst oft und habe auch nichts gegen Omas, aber letztlich ist er mir doch ein wenig zu schroff und ruppig, weshalb ich ebenfalls nur 7,5 Punkte gebe, aber mit leichter Tendenz nach oben (CsC No. 2). Bedeutend feiner und edler und auch deutlich orangiger als 4711 ist Cologne von Chanel. Von Luca Turin zum Hyper-Cologne erklärt, finde ich den Duft schon schön, aber auch etwas langweilig. Trotzdem 8 Punkte (CsC No. 6). Ebenfalls "sehr gut gemacht, aber nicht wirklich vom Hocker reißend" ist das nur ca. 5-10 Prozent davon kostende Eau de Berlin von Harry Lehmann, das daher ebenfalls 8 Punkte verdient (CsC No. 11). Es ist etwas knarzig und weist ein bisschen in Richtung der Gattung "braune Colognes", die an sich in dieser Testreihe nicht vertreten ist. Einen stärkeren Zitronenanteil als 4711 hat das sehr leichte und feine, einen wunderbar cremigen Zitrusschleier auf der Haut zurücklassende, noch billigere Feine Kölnische Wasser von Maravilla, dem ich 8 Punkte (mit Tendenz nah oben) gebe (CsC No. 3). Auch Cologne Classique von Alpa (CsC No. 1), 1,5 Euro in Tschechien und damit noch billiger, zähle ich zu dieser Richtung; der Duft hat für meine Nase eine starke Bergamotte- und eine schwache Neroliseite; er ist kühl und schön rund geschliffen, sehr klassisch frisch im Start, moderat süß und weich im für ein Cologne sehr langen Abgang. Ich habe eine echte Schwäche dafür und werde ihn mir wohl nachkaufen. Ebenfalls 8 Punkte mit starker, immer stärker werdender Tendenz zu 8,5. Zweiter Platz in der Klassiker-Kategorie ist Remix Cologne Anniversary Edition von 4711. Wie das Original, nur besser. CsC No. 10, 9 Punkte. Sieger in der Königsklasse mit 9,5 Punkten ist für mich Eau de Cologne Impériale von Guerlain, der so hell ist, dass er schon an der Grenze zur nächsten Kategorie der Zitronencolognes steht, den ich aber trotzdem noch zur Farina-Gruppe zählen würde (CsC No. 18).
Bei selbstberständlich fließenden Übergängen würde ich hiervon getrennt als zweite Gruppe die quietschegelben und gelbweißen Zitronencolognes aufmachen, bei denen Bergamotte, Neroli (und Orange) fehlt oder ganz weit im Hintergrund steht. In die Kategorie "reines Zitronenwasser" und damit etwas sauer und langweilig fällt Klasik Limon von Eyüp Sabri Tuncer (CsC No. 10a, 6 Punkte). Edel, aber nichts für mich ist Eau de Guerlain von Guerlain, das formal nicht als Cologne, sondern als EdT klassifiziert ist, aber hier einen Gastauftritt hat. Ich empfinde da eine indolische Note, die für mich in ein Cologne nicht gehört und daher ebenso wie Wurst- und animalische Noten zur Abwertung führen, ganz knapp 7,5 Punkte (CsC No. 12). Ein typischer Vertreter der Gattung ist Reines Kölnisch Wasser von Harry Lehmann (CsC No. 5), sehr zitronig und vielleicht je einen Hauch Orange und Minze dazu. Mich überzeugt hier die Umsetzung nur bedingt, 7,5 Punkte. Zwar ebenfalls mit 7,5 bewertet, aber für mich doch noch etwas schöner ist das sehr weiche, friedliche, zitronige-orangige (aber meines Erachtens total bergamotten-, neroli-, lavendel- und rosmarinfreie) Wasch Eau de Cologne von Harry Lehmann (CsC No. 5a). Aufwerten auf 8 müsste ich die grünwürzige Limone Cesme Limonu von Eyüp Sabri Tuncer, eigentlich ein wirklich schönes Kolonya (CsC No. 10c). Eine absolute Entdeckung war für mich Agua de Colonia Concentrada von Alvarez Gomez. Wundervolle saftig-satte Zitrone mit dem vollfetten Kräuterbeet, Sieger in dieser Teilgruppe und 9 Punkte mit Tendenz nach oben (CsC No. 15).
Anlässlich der letzten Folge meiner Reihe, die dem Portugal von 4711 gewidmet war, habe ich von einem freundlichen Mitparfumo den Hinweis bekommen, dass Eau de Portugal eine Sammelbezeichnung für Orangen-Colognes ist; etliche britische Hersteller haben derartige Eaux de Portugal im Programm. Dem wird noch weiter nachzugehen sein! Als dritte Gruppe also jedenfalls die Orangencolognes (einschließlich ihrer mandarinigen Kumpels): Ein schönes, aber mich irgendwie nicht begeisterndes Orangencologne mit braunem Einschlag ist Boston von Harry Lehmann, dem ich 7,5 Punkte gebe (CsC No. 17). Ein eher untypischer Vertreter der Gattung ist das orangig-seifig-mineralische Laguna von Harry-Lehmann. Ich trage es immer wieder gerne, aber vielleicht auch wegen seines Kuriositätenwerts (CsC No. 5b; 7,5 Punkte). Eigentlich auch 8 Punkte hätte ich Blood Orange & Basil von 4711 geben können, habe aber wegen subjektiver Ärger-Faktoren dann doch ebenfalls nur 7,5 gepunktet. Ein dunkelorange-dunkelgrünes Cologne, sehr gut gemacht (CsC No. 7). MIndestens genauso schön ist das wirklich gelungene Mandarinen-Kolonya Bodrum Mandalinasi von Eyüp Sabri Tuncer (CsC No. 10d). Sehr gelungen und von den Japanern sehr geliebt ist Portugal von 4711, ein orangenlastiges Cologne mit etwas strenger Korianderbeinote, das mir aber trotzdem gefällt: 8 Punkte, CsC No. 20. Ein etwas ruppiges, aber sehr schönes und sehr klassisches Orangen-Mandarinencologne bietet Spanien mit dem mir noch einen Hauch sympathischeren Gotas de Oro von Insituto Espanol (8 Punkte, CsC No. 19). Ein wirklich exzellentes orangiges Cologne ist Noble Néroli von Comptoir Cologne, einer französischen Supermarkt-Billigmarke. Leider sehr schwer zu bekommen. CsC No. 8a, 8,5 Punkte.
Mit aller gebotenen Vorsicht und unter Zurückstellung von Zweifeln, ob die Gründung einer solchen Gruppe Sinn ergibt, würde ich als letzte Gruppe hier die Fougère-Colognes & Co definieren wollen. Hier möchte ich die Colognes zusammenfassen, die mindestens minimal zitrisch-frische Aspekte aufweisen, aber mindestens ebenso sehr waldig, moosig oder kräuterfrisch imponieren, ohne braun-gewürzig rüberzukommen. Ja, man merkt schon, es ist irgendwie ein Drahtseilakt. Als ein herrlich originelles Gebrauchscologne für nach dem Sport empfinde ich Cologne Fougère von Alpa, das aber etwas gewöhnungsbedürftig ist (7,5 Punkte, CsC No.? - möglicherweise habe ich vergessen, ihn in der CsC-Serie zu erwähnen, er hat aber einen älteren eigenen Kommentar von mir bekommen). Eines der schönsten Colognes überhaupt, das ich kenne, ist das zitrisch-kräuterige, wunderbar vielschichtige New York von Harry Lehmann (CsC No. 5c, 9 Punkte, unbedingt empfehlenswert).
Schließlich bleiben einige Solitäre: Irgendwie kultig, aber mir etwas zu speziell ist das Monstermenthol-Cologne Ice von 4711 (CsC No 13, 6,5 Punkte). Okyanus von Eyüp Sabri Tuncer ist ein aquatisches Cologne, das mir 7 Punkte wert ist (CsC No. 10b). Cologne Grand Siècle von Pierre Guillaume ist ein klassische Cologne mit animalischem Einschlag, sehr ungewöhnlich, knapp 8 Punkte (CdC, No. 6a). Colonia von Acqua di Parma ist ein sehr feiner, edler, italienischer Farinist, der allerdings so haltbar ist, dass er trotz der Bezeichnung für mich eher ein Toilettenwasser ist und daher etwas aus dem Raster fällt. Ich finde ihn überaus, fast etwas zu, klassisch: 8,5 Punkte (CsC No. 4).
Und meine persönlichen Lieblinge?
Eau de Cologne Impériale ist zwar mein Sieger als einziger mit 9,5 Punkten, aber dabei ist viel Bewunderung für die Vollendung, die dieses Genre in diesem Duft erfahren hat. Ich erkenne den Duft als perfekt an, aber liebe ihn gar nicht so sehr, dass ich diesen Napoleon-III-Duft selbst haben müsste: Ich bin ja auch kein Kaiser, König oder Präsident, sondern nur ein kleiner Parfumo einfacher Herkunft, und finde passenderweise alle (!) meine persönlichen Lieblinge in Supermarktregalen und vergleichbaren Preisklassen: Meine Favoriten aus den ersten vier der oben genannten fünf Gruppen sind der sanfte und doch kräftige Cologne Classique von Alpa aus der Farina-Klasse, der verrückt laute gelbe Alvarez Gomez als der gelben Klasse, Noble Neroli aus der orangenen Klasse, und natürlich New York von Harry Lehmann. Und ebenso preiswert sind die nächsten fünf: Denn auch das Feine Kölnisch Wasser von Maravilla, das Remix Cologne Anniversary von 4711, Cesme Limonu, Gotas de Oro und Bodrum Mandalinasi könnte ich mir vorstellen, (nach-) zukaufen. Wobei das bei Gotas de Oro angesichts meiner 600-ml-Flasche wahrscheinlich nicht nötig sein wird. Die könnt ihr mir dann ins Grab nachwerfen.
Und jetzt?
Mir ist das Thema Colognes überhaupt nicht langweilig geworden. Im Gegenteil: Die Beschäftigung damit hat mich zum Fan gemacht! Es ist fantastisch, was es in dieser vermeintlich anspruchslosen Welt der "Leichtwasser" für Nuancen zu entdecken gibt. Ich werde daher weiter auf Entdeckungsreise gehen. Die bisherige Bandbreite der Colognes, wie im Eingangsteil beschrieben, werde ich in einer neuen Serie Neukölln fortfahren zu erforschen. Und ich werde mich den Duftwässern zuwenden, die ebenfalls offiziell als Cologne deklariert sind, ebenfalls leicht und gering haltbar und sommerlich sind, ebenfalls eine zitrisch-frische Note aufweisen, aber im Gegensatz zu den bisher behandelten Düften auch zusätzlich eine ledrige, kuchengewürzige (nicht: kräuterige!), barbierige oder anderweitig "braune" Note aufweisen. Diese will ich in einer neuen Serie: Colonialwaren behandeln. Ich freue mich über jeden, der mich weiterhin oder neu begleiten möchte!