Serenissima
Top Rezension
16
Palladio und der blaue Putzlappen
In meinem Kommentar zu "Noble Potion" erzählte ich ja schon, dass ich eine ausgeprägte Vorliebe für die Venezianischen Villen habe. Besonders die Bauten von Andrea Palladio haben es mir angetan.
So nutzte ich Anfang der neunziger Jahre einen Kuraufenthalt im Veneto, um die Villenvielfalt rund um Vicenza zu besuchen.
Ein Nebengedanke war auch, die Schauplätze der von mir sehr geliebten Opernverfilmung "Don Giovanni" von Joseph Losey aus der Nähe zu sehen. Losey hatte damals seinen höchst eindrucksvollen Film in und um Vicenza herum gedreht.
Nach der Premiere 1979 standen die so lebhaft und glaubwürdig agierenden Sänger im allgemeinen Fokus; nicht nur die Opernliebhaber waren hingerissen von der stimmigen Symbiose von Gesang, Handlung, Architektur und Landschaft.
Denn die wunderschönen Landschaftsaufnahmen verleihen diesem Film seinen eigenen ganz Reiz.
Ruggiero Raimondi als Don Giovanni verkörpert diesen Wüstling gleichzeitig anziehend und abstoßend.
Man möchte ihn verurteilen und ist doch nur fasziniert, verführt ihm zu folgen.
Leporello, der es mit seinem "Chef" nicht leicht hat, wird von José van Dam überzeugend dargestellt.
Und die Damen Kiri te Kanawa und Edda Moser brillieren in den weiblichen Hauptrollen.
Überhaupt ist die Besetzung wunderbar stimmig und stimmlich ein Ohrenschmaus.
Also ging es eines Morgens los nach Vicenza; als erstes stand Palladios Villa "La Rotonda" außerhalb der Stadt auf dem Programm.
Wir waren zu früh; mein Fahrer, im Veneto zuhause, wusste Rat und fuhr zur Villa Valmarana ai Nani, der sogenannten "Zwergenvilla".
Zwergenstatuen vergnügen sich auf der Gartenmauer: so erhielt sie ihren Namen.
Auch dort war noch geschlossen, aber Marco klingelte und fragte den Padrone, ob sich nicht "La Signora Tedesca", die extra wegen dieser Villa mit dem Taxi gekommen wäre, einen kleinen Rundgang machen dürfte.
"Il Padrone" bat mich in den Park, erlaubte mir, mich dort und auch in der Villa umzuschauen und anschließend doch "bitte" einen kleinen Obolus zu hinterlassen. Aber gerne doch!
Ich freute mich wahnsinnig, besonders darauf, Tiepolos Fresken ganz in Ruhe anschauen zu können.
So dachte ich!
Schon auf halber Höhe der Freitreppe zur Villa stellte sich das als Irrtum heraus: aus der Tür schoss eine laut schimpfende Frau mit Kittelschürze, die drohend einen blauen Putzlappen gegen mich schwang!
Auch meine Erklärung, dass "Il Padrone" mein Hiersein erlaubte, interessierte sie nicht. Sie trieb mich bis zurück zum Tor, schimpfte dabei wie ein italienischer Rohrspatz!
Das "Drama" spitzte sich noch zu, als ich das Tor nicht öffnen konnte; der Mechanismus war mir fremd!
Also musste Marco, der vor dem Tor stand, noch einmal klingeln und endlich kam der Hausherr, der nun zum zweiten Mal beim Frühstück gestört wurde, und öffnete mir das Tor!
Ich kroch aber recht schnell in meinen Mietwagen!
Erst später auf der Rückfahrt fragten wir uns, wie diese Frau sich den Anweisungen des Hausherrn widersetzen konnte. Wahrscheinlich war das eines der ungeklärten Mysterien rund um die italienischen "Mammas"!
"La Rotonda" hatte nun geöffnet und ich konnte voller Freude auf "Don Giovannis" Spuren dort herumwandern.
Auch die Mauerbrüstung, an der dieser doch so sympathische Wüstling seine "Champagner-Arie: Auf denn zu Feste ..." schmettert, fand ich.
Im Film sieht man auf der darunterliegenden Ebene das fleißige Gesinde lange Tische und Bänke aufstellen und emsig herumwieseln: das Fest soll doch gelingen, die nächste Verführung starten!
Dieses Bild hatte ich im Kopf, als ich über die Brüstung schaute. Und was sah ich?
Einen großen Misthaufen um den herum das Villa-eigene braune Geflügel vor sich hin gluckerte!
Welche Enttäuschung!
"Champagner? Ha!"
Später in der Stadt, auf den Spuren Palladios wandelnd, kam ich an einer Parfümerie vorbei.
Ausgestellt war dort "L'Arte di Gucci"! Der gerade neu erschienene Duft dieses Hauses.
Allein schon wegen des beeindruckenden schwarzen Flacon, musste ich diese Duft-Schönheit haben.
Das war damals mein erster Gucci-Duft; "Gucci N° 3", den ich in der Geschichte mit der Shakespeare-süchtigen "Komparsen-Ente" beschrieb, kam erst einige Jahre später zu mir.
"L'Arte di Gucci" ist ein wahres Kunstwerk. Noch nach all den Jahren ist der Duft unverändert erhalten geblieben.
Er verkörpert für mich wieder die unvergleichliche Eleganz der sogenannten "goldenen Düfte" seiner Generation.
Allein schon der Auftritt ist bemerkenswert: eine Zusammensetzung von fruchtigen und grünen Tönen vermählt sich erfolgreich mit Glanz verleihenden Aldehyden und würzigem Koriander.
Im blumig-duftenden Herzen vereinen sich die schönsten Blütenträume, die der Frühsommer bringt:
Jasmin und Maiglöckchen korrespondieren glücklich mit Mimose und Narzisse; vollerblühte Rose und sinnliche Tuberose nähern sich harmonisch und die immer ein wenig eigenwillige Rosengeranie sorgt für das "gewisse Etwas"!
Bis hierher ist "L'Arte di Gucci" ein wahrer Blütenrausch. Aufsehenerregend, aber noch ein wenig harmlos.
Aber das ändert sich schnell!
Die Basis legt pure Erotik über den bisherigen Duftverlauf: nichts ist mehr, wie es einmal war!
Tiefgründiges Eichenmoos und Leder (sicher: was sollte es bei Gucci auch anderes sein!) sorgen für ein erstes sinnliches Erschrecken! Was entwickelt sich denn hier? Was geschieht mit mir?
Patchouli und Vetiver werden großzügig beigefügt; auch am Moschus wird nicht gespart.
Unter der Amberbeigabe entwickelt sich schließlich ein Duft, der alle inzwischen erwachten Sinne anspricht!
Nicht nur die der Frauen - auch Männer sind sehr begeistert so etwas heute noch zu treffen.
"L'Arte di Gucci" glänzt nicht nur durch seine feine Duftkomposition, sondern auch durch vollmundige Sillage und eine überdurchschnittliche Haltbarkeit.
Dieser Duft hüllt schmeichelnd ein; er lockt und ruft!
Jede Frau, die "L'Arte di Gucci" trägt, ist eine Königin. Sie schreitet hoch erhobenen Hauptes über ihren eigenen "Roten Teppich" und eines ist ihr sicher: Aufmerksamkeit und Applaus!
"Applaus" also an dieser Stelle für "L'Arte di Gucci"!
"Applaus" aber auch für Joseph Loseys "Don Giovanni" mit seinen unvergesslichen Sängern und ebenfalls "Applaus" für die harmonisch schönen ausgewogenen Villen des Veneto, eingebettet in eine liebliche Landschaft, die zum Träumen einlädt!