ParfumAholic
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Understatement - aber nicht im ursprünglichen Jil Sander Sinn
Manchmal wäre es besser, ich würde bestimmte Düfte als eine Art "Blindverkostung" testen. Denn wenn ich nicht wüsste, aus welchem Duft-Haus ich gerade welchen Duft teste, würden meine "inneren Schubladen" nicht gleich aufgehen und ein unvoreingenommenerer Test wäre um ein Vielfaches leichter.
So hat mich denn auch bei dem neuesten Duft aus dem Hause Jil Sander wieder meine alte Leidenschaft für die Person der für mich legendären Heidemarie Jiline Sander gepackt. Ja, ich weiß natürlich, dass heutzutage nirgendwo mehr Jil Sander drin ist, wo Jil Sander drauf steht, aber dennoch bringe ich alle Produkte (Fashion und Beauty) automatisch und unwillkürlich mit ihr in Verbindung.
Sie war es, die mich mit ihren Designs und dem "Less-is-more"-Gedanken maßgeblich und nachhaltig beeinflusst hat. Auch heute sind es immer die eher stillen, zurückhaltenden und Understatement-Designs, die mich ansprechen. Stilprägend würde ich das mal nennen wollen.
Und insofern fällt mir eine gewisse Objektivität einfach unheimlich schwer. Noch schwerer, wenn das Ergebnis nicht so ausfällt, wie ich es mir eigentlich gewünscht hätte. Aber da ich hier keine Glorifizierung betreiben möchte, hier nun meine Eindrücke zum "Ultrasense White" aus dem Hause Jil Sander (ohne Jil Sander).
Der Einstieg gestaltet sich sehr weich, rund und eher frisch. Die Bergamotte ist nur sehr kurz präsent, wird sehr schnell von nicht zu süßem Safran und ordentlich Veilchen verdrängt.
Die eigentlich süßliche Tonkabohne wird durch etwas Zeder und viel Salbei "abgelöscht". Und bereits zu diesem Zeitpunkt fällt mir auf, dass sich Kopf- und Herznoten nicht wirklich miteinander verbinden, sondern quasi nacheinander "gezündet" werden. Bis hier her stellt sich "Ultrasense White" als ein Zwei-Stufen-Duft dar. Nicht übel, aber auch nicht aufregend oder gar einzigartig oder gänzlich neu.
Zur Basis hin nehme ich noch etwas Amber (weder balsamisch noch süßlich) und unseifigen Moschus wahr.
Ende.
Dieses Duft-Erlebnis dauert je nach Test zwischen 4 und 5 Stunden, wobei sich der Duft als eher hautnah darstellt. Sillage-Liebhaber werden hier nicht bis gar nicht auf ihre Kosten kommen. Der Flakon ist wertig verarbeitet, liegt gut in der Hand und der Sprühkopf gibt feine Duft-Nebel ab. Das Flakon- und Verpackungs-Design sind typisch Jil Sander. Hier könnte man glatt glauben, die Chefin selbst hätte beides höchstpersönlich entworfen.
Aber wie immer kommt es natürlich auf den Duft und weniger auf das Drumherum an.
Auch wenn es mir schon einen Stich versetzt, so muss ich doch zugeben, dass mich "Ultrasense White" genauso wenig packt wie der Vorgänger "Ultrasense". Zu einfach und zu beliebig erscheinen mir beide Düfte. Ich kann keine Ecken und Kanten und / oder unvermutete Duft-Wendungen ausmachen. Mir fehlt irgendein Pfiff, ein Augenzwinkern oder einfach auch nur, dass mir dieser Duft eine Geschichte erzählt.
Ich hatte mir irgendwann geschworen, keine Blindkäufe (mehr) zu tätigen. "Ultrasense White" hat es dank eines super Angebots dann doch als 30ml Größe per Blindkauf in meine Sammlung geschafft. Ich bin darüber nicht mega enttäuscht, denn trotz allem ist "Ultrasense White" natürlich kein schlechter Duft. Eher ein Allrounder für jeden Tag, mit dem man nirgendwo aneckt oder auffällt. Solide wäre eine Eigenschaft, die mir zum Duft in den Sinn kommt.
Ich werde ihn behalten, dann und wann tragen und mich immer wieder gerne etwas bis sehr wehmütig an die "alten" Jil Sander Düfte der 1980er und 1990er Jahre erinnern....