Die Haltbarkeit von Klassikern. Oft besser, als gedacht
Ich lese hier immer wieder, wie schlecht die Haltbarkeit aktueller Klassiker sein soll. Ja,
früher war mehr Lametta, aber so mies, wie manche behaupten, halten die Düfte
nun wirklich nicht. Sie mögen ein wenig zarter geworden sein, ein wenig
subtiler. Vermutlich ist es genau dieser eine Riechstoff, der laut IFRA nicht
mehr erlaubt ist, der vor zehn oder seien es gar 20 oder 30 Jahren für eine
unglaubliche Wucht gesorgt hat? Verschwunden nach fünf Minuten, wie allzu oft
hier zu lesen, geht meines Erachtens an der Wahrheit auch sehr vorbei.
Immer wieder trudeln hier Klassiker zum Test ein. Manchmal sogar die Vintages, jedoch
oftmals die neuen Formulierungen. Es passiert selten, dass ich bei der
Haltbarkeit bei einem reformulierten Klassiker weniger als eine 8 gebe. In der
Regel halten die wirklich gut. Ein gutes Beispiel ist mein Burberry, den ich
mir diesen Sommer in Barcelona gekauft habe. Ich trug früher selbst jahrelang
den Vintage. Er mag ein wenig kräftiger gewesen sein, vorausgesetzt, meine
Erinnerung spielt mir da keinen Streich. Ist ja doch schon ein Weilchen her mit
dem Vintage. Im Großen und Ganzen sind die Unterschiede da aber doch eher
marginal.
Erst diese Woche trug ich ihn wieder. 3x gesprüht am Morgen und ich schnupperte abends,
als ich mich ins Bett legte, auf meinem linken Arm immer noch einen wunderbar
feinen Hauch von Burberry. Hach, wie schön. Genau so mag ich mein Parfum zum
Einschlafen. So ein dezenter Hauch, keine große Sillage mehr, aber es ist noch
da und sorgt für angenehme Gedanken und ein Lächeln auf den Lippen. Weg war da
nichts. Auch nach über zwölf Stunden nicht. Und ich bin überzeugt, den hätten
auch andere, vorausgesetzt, sie kämen mir näher, noch wahrnehmen können.
Sillagen, die auf 100 Meter Entfernung wahrnehmbar sind, finde ich persönlich nicht so arg
schön. Haltbarkeit ist wunderbar, aber bitte keine allzu wuchtigen Duftwolken.
Ich selbst schätze es wenig, wenn ich in einen Raum komme und da steht jemand,
dessen Parfum mich permanent anschreit: „HALLOOOOO, ICH BIN DAS PARFUM VON MR.
ODER MRS. X. BRÜLLLL. ROOOOOAR. Nein, das möchte ich weiß Gott nicht erzielen
mit meiner Beduftung. Eine Unterhaltung sollte besser ohne Geschrei ablaufen.
Ist angenehmer für alle Beteiligten.
Ein solches Geschrei, das vermögen aktuelle Versionen von Klassikern nicht zwingend zu
erzielen. Joop Homme und Jil Sander Sun, vermutlich auch Poison, vielleicht mal
ausgenommen. Hier kenne ich lediglich die Vintages, die, sofern angemessen
dosiert, tatsächlich auch flüstern konnten. Ein Parfum, das leise flüstert über
viele Stunden, ist für mein Verständnis etwas traumhaft Schönes. Und das können
die Klassiker für mein Gefühl heute alle noch.
Bilder: Pixabay
Die Bilder hier oben hast Du auch sehr passend ausgewählt! :))
Dieses Rumgejammere, wenn ein Duft nach 17 Stunden schon fast nicht mehr erkennbar ist und - frisch aufgesprüht - nicht nahe am Giftgas, das geht mir ja sowieso auf den Senkel.
Daß früher mehr Lametta war, hängt halt auch mit dem damals beinahe unendlichen Sortiment von Duftstoffen zusammen, aus denen sich der Parfumeur ungehemmt bedienen konnte.
Die Aufgabe, den Charakter eines Duftes in die reformulierte Neuzeit zu transportieren, gelingt sicher nicht immer. Meistens aber doch. Mit Abstrichen in Komplexität und Haltbarkeit vielleicht. Im Großen und Ganzen aber paßt das für mich eigentlich meistens.
Bist du das mit deinem Mann da auf dem Foto?
Es gibt sicherlich Düfte, deren Haltbarkeit- vor allem preialich gesehen - echt zu wünschen übrig lässt. Beispiel Imagination, der ja so gehypt wird. Aber auch das ist alles mit Sicherheit bei jedem anders bzw jeder nimmt es anders wahr. Trotzdem... die Frage ist, was bedeutet Haltbarkeit für jeden Einzelnen? Für mich ist Haltbarkeit, wenn ein Duft 4-6h ummara wahrnehmbar ist. Warum muss ein Duft den ganzen Tag riechen?
"wenn ich in einen Raum komme und da steht jemand,
dessen Parfum mich permanent anschreit: „HALLOOOOO, ICH BIN DAS PARFUM VON MR.
ODER MRS. X. BRÜLLLL. ROOOOOAR."
(besten Dank, ich hab mir echt eins gegrinst)
ist ja im Grunde auch nicht lustig, sondern zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend.
Aus meiner Sicht treffen deine Sätze
"Eine Unterhaltung sollte besser ohne Geschrei ablaufen.
Ist angenehmer für alle Beteiligten."
es auf den Punkt.
:)
Auch die Worte vom lieben Scentwolf unterschreibe ich sofort.. 😊
Wir haben bei Düften so oft Erinnerungen an frühere Momente präsent.
Aber früher.. ja früher.. damals z. B. in den 80ern war ja alles lauter, schriller, intensiver vom Lebensgefühl her und niemand widersprach diesem Trend. Dass es so nicht bleiben konnte, offenbaren nun zahlreiche zerberstete Illusionen.. Inhaltsstoffe, ausgehende rare Rohstoffe etc., um nur wenige Gründe zu nennen sind heute Fakten für berechtigte Reformulierungen.
Ja.
Einen Duft (Opium) mochte ich früher wirklich sehr viel mehr als heute. Doch ansonsten finde ich, dass die Reformulierungen behutsam mit Bedacht umgesetzt werden.. und das eine und andere Mal sogar noch verfeinert "in neuem Glanz" wieder erscheinen.. ✨ Burberry, Poême, Cabochard, Tabu, rive gauche, fidji, Rumba.. u. v. m.
Hab lieben Dank für diesen tollen und wertschätzenden Blog zum Thema Haltbarkeit.. und Wahrnehmung.
💯🏆✨
Bei der Haltbarkeit sehe ich ebenfalls selten Abstriche.
Aber andere Personen ... nada. Erst wenn ich zum Abschied ein Küsschen links und rechts kriege oder sogar geknuddelt werde, kommt oft ein "hey, Du riechst ja gut!".
VLG und danke für die Veröffentlichung deiner Meinung ;o)