Pollita
Hühnergegacker
vor 8 Monaten - 03.09.2023
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Die Haltbarkeit von Klassikern. Oft besser, als gedacht


Ich lese hier immer wieder, wie schlecht die Haltbarkeit aktueller Klassiker sein soll. Ja,
früher war mehr Lametta, aber so mies, wie manche behaupten, halten die Düfte
nun wirklich nicht. Sie mögen ein wenig zarter geworden sein, ein wenig
subtiler. Vermutlich ist es genau dieser eine Riechstoff, der laut IFRA nicht
mehr erlaubt ist, der vor zehn oder seien es gar 20 oder 30 Jahren für eine
unglaubliche Wucht gesorgt hat? Verschwunden nach fünf Minuten, wie allzu oft
hier zu lesen, geht meines Erachtens an der Wahrheit auch sehr vorbei.

Immer wieder trudeln hier Klassiker zum Test ein. Manchmal sogar die Vintages, jedoch
oftmals die neuen Formulierungen. Es passiert selten, dass ich bei der
Haltbarkeit bei einem reformulierten Klassiker weniger als eine 8 gebe. In der
Regel halten die wirklich gut. Ein gutes Beispiel ist mein Burberry, den ich
mir diesen Sommer in Barcelona gekauft habe. Ich trug früher selbst jahrelang
den Vintage. Er mag ein wenig kräftiger gewesen sein, vorausgesetzt, meine
Erinnerung spielt mir da keinen Streich. Ist ja doch schon ein Weilchen her mit
dem Vintage. Im Großen und Ganzen sind die Unterschiede da aber doch eher
marginal.

Erst diese Woche trug ich ihn wieder. 3x gesprüht am Morgen und ich schnupperte abends,
als ich mich ins Bett legte, auf meinem linken Arm immer noch einen wunderbar
feinen Hauch von Burberry. Hach, wie schön. Genau so mag ich mein Parfum zum
Einschlafen. So ein dezenter Hauch, keine große Sillage mehr, aber es ist noch
da und sorgt für angenehme Gedanken und ein Lächeln auf den Lippen. Weg war da
nichts. Auch nach über zwölf Stunden nicht. Und ich bin überzeugt, den hätten
auch andere, vorausgesetzt, sie kämen mir näher, noch wahrnehmen können.

Sillagen, die auf 100 Meter Entfernung wahrnehmbar sind, finde ich persönlich nicht so arg
schön. Haltbarkeit ist wunderbar, aber bitte keine allzu wuchtigen Duftwolken.
Ich selbst schätze es wenig, wenn ich in einen Raum komme und da steht jemand,
dessen Parfum mich permanent anschreit: „HALLOOOOO, ICH BIN DAS PARFUM VON MR.
ODER MRS. X. BRÜLLLL. ROOOOOAR. Nein, das möchte ich weiß Gott nicht erzielen
mit meiner Beduftung. Eine Unterhaltung sollte besser ohne Geschrei ablaufen.
Ist angenehmer für alle Beteiligten.

Ein solches Geschrei, das vermögen aktuelle Versionen von Klassikern nicht zwingend zu
erzielen. Joop Homme und Jil Sander Sun, vermutlich auch Poison, vielleicht mal
ausgenommen. Hier kenne ich lediglich die Vintages, die, sofern angemessen
dosiert, tatsächlich auch flüstern konnten. Ein Parfum, das leise flüstert über
viele Stunden, ist für mein Verständnis etwas traumhaft Schönes. Und das können
die Klassiker für mein Gefühl heute alle noch.

Bilder: Pixabay

Aktualisiert am 03.09.2023 - 05:17 Uhr
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