Düfte, die ich einst verabscheute, sind plötzlich schön. Oder sind nur die aktuellen Kreationen für meine Nase so fürchterlich und deshalb empfinde ich das so?
Ja, ich bin verwirrt. Sehr sogar. Schon vor ein paar Jahren stellte ich fest, Fahrenheit, der für meine Nase in der Jugend gar schrecklichste Duft, ist gar nicht so gruselig. Ich roch ihn an einem Herrn an der Supermarktkasse, erkannte ihn sofort. Aber anders als damals bekam ich kein Magengrummeln, mir wurde nicht schlagartig übel und auch nach Davonrennen war mir nicht. Ich erkannte den Duft und dachte mir tatsächlich: „riecht doch eigentlich ganz schön.“

Und das ist kein Einzelfall. Terre d’Hermès war lange Zeit einer meiner Endgegnerdüfte. Als der damals rauskam, verabscheute ich ihn regelrecht. Mein Mann hatte irgendwann eine Probe davon und ich erinnere mich daran, dass ich sagte, „den trägst Du nicht in meiner Gegenwart, der riecht ja fast schon wie angeschimmelt“. So ähnlich damals mein O-Ton. ISO-E-Super war derzeit ein Novum und für Nasen, die das nicht gewohnt waren, konnte dieser holzige Riechstoff schonmal zu Irritationen führen. Bei Terre wird ISO bis heute recht ausgeprägt eingesetzt. Heute weiß ich, gegen ISO habe ich prinzipiell nichts. Ich trug sogar selbst für eine Weile einen Dupe von Un Jardin en Mediteranée, ebenfalls Hermès und ebenfalls eine ISO-Bombe. Und heute vergöttere ich Kriglers Extraordinaire Camelia 209 und auch der spart ganz gewiss nicht mit ISO-E-Super. Tja, ihr könnt es euch schon denken, gell? Kürzlich kam mein Vater mit Terre um die Ecke und ich gebe zu, ich roch den gerne an ihm. Und habe ihn, ebenso wie bereits Fahrenheit, von meiner No-Go-Liste gestrichen.
Jetzt gibt es da noch einen, den konnte ich in jungen Jahren am allerwenigsten leiden. Und das ist Kiton Men. Es war nicht nur Kiton, den ich verabscheute, sondern auch sehr viele andere Düfte, die teilweise ähnliche Noten hatten und mich deshalb an Kiton erinnerten. Trigger-Prinzip. Vermutlich war es das prägnante Veilchen, ähnlich wie auch beim Fahrenheit, was mich auf den ersten Schnupperer abschreckte. Ich konnte nämlich auch nicht mit Green Irish Tweed. Ich vergesse nie den Tag, an dem wir einen Gutachter im Haus hatten. Üppig beduftet mit GIT. Ich hätte schreiend davonrennen können, als sich die GIT-Wolke in unserem Haus ausbreitete. Als er weg war, habe ich noch stundenlang gelüftet. Und meinem Mann habe ich verboten, sich in den Neunzigern das blaue Eau de Toilette Free Space von seiner damaligen Lieblingsmarke Harley Davidson zu kaufen. Denn auch das roch für mich ganz klar nach Kiton. Für ihn war es schlicht ein Cool-Water-Dupe (den ich liebte, der hatte dieses für mich Fiese nicht), für mich war der Duft damals so etwas wie die Ausgeburt der Hölle für meine Nase.
Und diese Woche passiert es: Ich schlendere in die Stadt, da radelt ein Typ an mir vorbei. Zieht eine Duftfahne hinter sich sehr. Ich schnuppere und denke, „mmmh, riecht gut“. Und ich war mir sicher, er trug GIT oder sogar Kiton. Und was kommt jetzt? Polly löscht auch den ach so verhassten Kiton von der No-Go-Liste im Profil.

Was schließen wir daraus? Waren die Düfte nie richtig schlimm oder sind die Neuerscheinungen mit Riechstoffen wie Ambrocenide und Co. für mein Näschen gar so fürchterlich, dass ich einst Verhasstes plötzlich als angenehm und schön empfinde? Ich gebe zu, bei Musik habe ich das manchmal auch in der Art. Es dauert bei mir manchmal Jahre, bis ich bestimmte Songs oder ganze Alben von Bands, die ich prinzipiell liebe, auf einmal gut finde. Aber ja, das kann mir schonmal passieren. Dass ich allerdings DJ Ötzi oder Micky Krause oder ähnliches plötzlich gut finden werde, das ist wiederum sehr unwahrscheinlich. Diese Musikrichtung überlasse ich, genauso wie Woody-Amber-Beastmode-Bomben, lieber den anderen.
Und jetzt geh ich mal meine No-Go-Liste korrigieren.
Und bei euch so?
Eure Polly
Die Bilder wurden mit Microsoft Designer erstellt.
sehr interessantes Thema und ein toller Beitrag, vielen Dank!
Mir ist aufgefallen, dass du diese Abneigung anscheinend vor allem bei Herrendüften hattest. Vielleicht waren sie dir „als Mädchen“ noch zu „männlich“?
Ich fand viele Kracher der 80er und 90er aber schon immer gut (Kouros z. B.)
Deinen „Geschmackswandel“ sehe ich eher als „Erweiterung“. So wie dir geht es mir bei Duftnoten. Für einige, die ich früher grundsätzlich hasste, habe ich fast eine Leidenschaft entwickelt. Mit Anis konntest du mich jagen, mein geliebtes Confetto brachte den Durchbruch. Mit drei Anläufen, zweimal wieder verkauft, der dritte Flakon wurde die ganz große Liebe. Und mein Endgegner Patchouli hat sich bei Coromandel von so charmanter Seite gezeigt, dass ich diesem Duft sofort verfallen bin. Hätte ich einen echten Signature, wäre es Coromandel.
Mit vielen neuen Krachern habe ich auch Probleme. Vor allem mit unerträglicher Süße.
Ich bin gespannt, was du noch neues Altes für dich entdeckst!
Dazu kommt, dass sich der persönliche Geschmack (Speisen, Getränke, Mode, Musik, Düfte,…) möglicherweise im Lauf der Jahre ändert.
Und plötzlich, tataaa….findet man etwas toll, dass man vorher ablehnte…
Manche Abneigungen bleiben allerdings lebenslang (bei mir Austern, Hawaii-Hemden und Schlagermusik)
;-)
Düfte die ich nie mochte habe ich noch nicht lieben gelernt.
Bei den älteren Düften kann es aber auch an der ReFo liegen, manche sind heute sanfter und leichter und dadurch nimmt man sie anders wahr. Finde ich z.B. bei dem aktuellen Opium EdT .
Dein Gedanke, dass es an den teilweise grauenvollen Neuerscheinungen liegen könnte, ist aber auch nicht weit hergeholt. Aktuell habe ich gestern Düfte getestet und bin spätestens bei der "Basis" (wenn man sie überhaupt noch so nennen kann) wirklich entsetzt gewesen.
Was wirklich gruselig war - ein Freund hatte auch einen Herrenduft getestet und zum Schluss haben wir beide gleich nach diesen neuen "Wunderstoffen" gemüffelt. Wer will so etwas bitte?!
Ich greife aktuell auch immer mehr zu meinen älteren Schätzchen, die noch in der Lage sind mir ihre Melodien vorzuspielen...Ich schätze sie so nur um so mehr.
Eine echte grundlegende Geschmacksveränderung habe ich bei mir in den ganzen Jahren aber noch nicht feststellen können.
Bei anderen Düften (Fahrenheit!) nervt es in erster Linie, dass so viele ihn (überdosiert) tragen. Manchmal nervt auch weniger der Duft selbst, sondern die Person, die ihn trägt und dann ist der Duft erstmal mit dieser assoziiert. Später legt sich die Assoziation manchmal und der Duft selbst ist vielleicht doch ganz schön.
Weiterhin ist es bei manchen Düften so, dass ich sie erst nicht mag und dann später wenn ich sie ein Paar Jahre später erneut rieche plötzlich gut finde , da ich die Düfte dann oft mit den Erinnerungen von damals wo ich ihn als erstes gerochen habe verbinde. Loewe 001 ist ein solcher Duft. Als ich ihn in Barcelona gekauft habe, fand ich ihn nach ein Paar Tagen nicht mehr so dolle. Mittlerweile ist es beinahe mein wertvollster Besitz, da ich jedes Mal wenn ich am Flakon rieche für einen Sekundenbruchteil die Emotionen empfinde die ich damals in Barcelona in diesem Kaufhaus hatte. Für mich mittlerweile ein toller Duft.
Ein Effekt könnte auch die Übersättigung an alten Haupt- und Lieblingsnoten sein, die irgendwann gerade das zuvor Gemiedene attraktiv macht...
Im olfaktorischen Bereich hat sich sogar mein Signatur gewechselt, und außerdem fahr ich plötzlich to-tal auf Aoud Tobacco von Montale ab, der noch vor 1 1/2 Jahren wegen des Tabaks ein NoGo für mich war… etc etc XD XD
wozu auch ich weiss was ich brauch um Glücklich zu sein an anderen riecht eh alles besser 😅
Meinst Du, den Leuten standen die Düfte einfach außerordentlich gut? Das macht ja enorm viel aus, WER die Sachen trägt... 🤔
Dennoch mag ich nicht abstreiten, daß Wahrnehmungen sich verändern können.
Was die heutigen Neuerscheinungen betrifft, finde ich allerdings, daß mich diese lauten Ambrobomben extrem nerven bzw. mir sogar in der Nase wehtun.
Durch die Auseinandersetzung mit Parfum, habe ich meine Akzeptanz für Düfte extrem erweitert, heute mag ich eigentlich alles, ausser es riecht extrem künstlich oder sehr blumig (Jasmin, Ylang, Weissblüher) und dazu noch sehr süss.
Hauptsache gut gemacht. Dennoch muss auch ich sagen, dass mir die Düfte à la mode mit Oud, extrem breitem Moschus und dazu noch süss ein Graus sind.
Meine Duftvorlieben musste ich innerhalb eines Jahres sehr korrigieren... Im letzten Sommer "jagte" ich Feigendüfte, jetzt kann ich sie nicht mehr ertragen....Animalik vermied ich, wo es nur ging, nun hat mir Daim von Miskeo den Kopf verdreht. Nur die Vorliebe für grüne Düfte scheint in Stein gemeißelt. Aber wer weiß - ich bin gespannt, wohin die Reise mich noch führt 🙂
DJ Ötzi oder Woody-Amber-Beastmode kommen mir aber auch in 20 Jahren nicht ins Haus, da bin ich sicher. ;)
Früher mmmm.... heite bäh
Aich die Geschmacksknospen im Mund ändern sich.
Mal nachschnuppern ist dennoch spannend.
Das meiste davon nervt mich auch heute.
Meine No-Go Liste ist ellenlang.
Vor circa einem Jahr habe ich ihn getestet, er wurde wahrscheinlich reformuliert, diesmal wirkte er auf mich frischer, und leicht zitrisch mit einer meiner Nase nach leichten hopfenartiger Bitterkeit.
Da habe ich gleich ein Fläschchen gekauft. Es kann an Veränderungen liegen, durch Reformulierung, oder man hat nach all den Jahren eine andere Akzeptanz gegenüber vorher abgelehnten Düften.
Es würde mich freuen, wenn sich meine Mutter irgendwann auch noch mit Fahrenheit anfreundet. Den mag sie gar nicht und assoziiert den Duft mit Gurkenwasser. 😄 Ich selbst habe bei Fahrenheit tatsächlich auch ein paar mehr Anläufe gebraucht und nun ist er einer meiner Lieblingsdüfte.
Mir ging es lange so mit allem, was Ähnlichkeit mit Acqua di Gio oder dem alten Hugo (der mit der Schraubkappe) hatte. Diese trockenen, superspröden Aqua-Freshies.
Auch Sauvage habe ich lange leidenschaftlich verachtet.
Doch seitdem sich gefühlt überall diese ultrasüßen, pappigen und raumgreifenden (ich drücke es mal überspitzt aus) "Möchtegern-Orientalen" breit machen, bin ich froh um alles was irgendwie trocken, frisch und gerne auch spröde duftet.
Sowohl Acqua die Gio als auch Sauvage haben mittlerweile ihren Weg in meine Sammlung gefunden 😉
- Fahrenheit trug z.B. eine Person, die ich so fürchterlich fand, dass es mir den Duft verleidet hat. Aber mit den Jahren verblasst diese Abneigung...
- mein Geschmack ändert sich durchaus auch, bin zum Beispiel viel toleranter gegenüber süßen Noten geworden... Und ich lerne erst, bestimmte Dinge zu mögen.
- Und sicher stimmt Deine Analyse, dass angesichts heutiger Synthetikmoschuskeulen die vormaligen Übel plötzlich geringer aussehen bzw. duften...