18.11.2014 - 13:48 Uhr
Meggi
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29
Befinden Sie sich wohl, Sir John?
Ein herrlicher Spätsommer-Sonntagvormittag. Angenehm warm, das Gras ist trocken und lädt zu einem Spaziergang durch den Garten. „Guten Morgen!“, schallt es aus den Rosenbeeten. Darcey Bussell lächelt mich kokett an und hebt elegant die Arme zur Ballerina-Pose. „Du abgebrochene Diva…“ denke ich und lächele freundlich-nachsichtig zurück. „Du hättest Edelrose werden sollen.“ Die sechs Chippendales, diese Angeber, machen hüft-kreisende Aufwärm-Übungen und grüßen mich lässig. Sie sind abgelenkt und lugen ständig um die Zier-Johannisbeere herum zum nächsten Beet, ob die Heidi-Klum-Rose ihnen zusieht. Allerdings trägt die soeben ihre dritte Schicht Jugendlichkeit auf und sieht nicht herüber. Wird auch immer peinlicher mit der. Stattdessen winkt Mariatheresia huldvoll, verzieht angesichts ihrer Nachbarin angewidert das Gesicht und tuschelt mit Baronesse.
Sogar die Nacktschnecken lassen sich zu einem mampfenden „Tach!“ herauf.
Nur Sir John Betjeman steht ganz still. „Good Morning, Sir John!“ rufe ich – gemeinerweise wesentlich lauter als nötig. Er zuckt zusammen, öffnet mühsam ein Auge und blickt zu mir hoch. „Oh my God!“, nölt er. „Es muss doch noch mitten in der Nacht sein. Wo kommt denn die Sonne schon her? Kann die nicht mal jemand zuschieben?“ Sir John zwinkert gequält Richtung Himmel, aber keine Wolke tut ihm den Gefallen. Er atmet ein. Atmet aus. Atmet ein. Schweigen. „Bööööaaaaarp!“ dringt ein Schwall von Nennen-wir-es-Luft empor. Ein restalkohol-geschwängerter Geruch von schalem, magensäure-aromatisiertem Whisky entweicht seiner gut desinfizierten Kehle und mischt sich mit einem intensiven Fremd-Rosenduft. Gewiss hatte der Herr gestern Abend engeren Umgang mit einer Dame. Ich habe ohnehin den Verdacht, dass zwischen ihm und diesmal zum Beispiel Louise Odier irgendwas läuft. Sein zart-grüner Eigenduft geht dagegen völlig unter.
Schweigen. „Sir John? Hallo? Befinden Sie sich wohl?“ Bevor Sorge aufkommen kann, beugt der Herr den roten Kopf leicht zur Seite und reihert mit einem herzhaften ‚Hualp!‘ gekonnt in die mir abgewandte Richtung. Als mich der leidende Blick der nunmehr triefenden Staude auf dem Boden trifft, fällt mir schuldbewusst ein, dass ich versprochen hatte, sie umzupflanzen. Bald. Sehr bald. Sofort nach dem nächsten Regen. Die Arme. Wer hätte gedacht, dass das Leben einer Rosen-Unterpflanzung solch‘ ein hartes Los sein kann.
„Sie haben ja offenbar ordentlich gefeiert letzte Nacht!“ Doch er hört kaum zu. Obgleich seine Mundwinkel noch triefen, zwinkert er Darcey und Louise zu. „Als Schwerenöter ein echter Profi…“, muss ich anerkennen. Während er sich das Gesicht abwischt, schaben ihm seine Blätter über das stachelige Kinn (Rosen haben Stacheln, keine Dornen!). „Aber wenn Louise oder Darcey dieses käsig-säuerliche Odeur jetzt riechen könnten, wären sie nicht so angetan von ihm…“ denke ich. Schnell nehme ich lieber eine Nase voll von der lieblich-augenaufschlagenden Maiden’s Blush, bevor ich meinen Rundgang fortsetze.
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Tut mir leid, liebe 24-Fans – ich finde die Kombination aus Rose und Whisky überaus unglücklich, um es vorsichtig zu formulieren. Nicht allein, dass mir davon geradezu übel wird, auch sozusagen absolut gesehen bleibt mir die Idee dahinter fremd. Käsefuß in Alkohol im Rosenbeet? Vor dem Hintergrund des bewusst (wahlweise bemüht) exzentrischen Anspruchs von Atkinson’s scheint mir durchaus denkbar, dass die sich über ihre eigene Komposition schlapplachen. Mir hätte bereits die weißblumige Note direkt nach dem Auftragen genügt, welche mich unschön an meinen gelegentlich erwähnten Tuberosen-Weichkäse erinnert. Und dann die Fortsetzung: Keine Rose, die ich kenne (und ich kenne einige) riecht derart. Von den übrigen Zutaten ganz zu schweigen.
Erst Stunden später wird die Mischung gefälliger, wenn man es so ausdrücken mag. Doch selbst in der Schlussphase, nach 8plus Stunden, hält sich die verkatert-besoffene Rose wacker aufrecht. Technisch womöglich eine Leistung - für mich schlichtweg K.O.-Kriterium, daher meine höchst individuelle und vielleicht ungerechte Bewertung. Mir persönlich ist die ostentative Spleenigkeit den einen oder anderen Schritt zu weit vorangetrieben.
Vorteil für Euch: Einer weniger, der da draußen mit dem Zeug herumläuft.
PS: Ich entschuldige mich für ein bisschen Übertreibung mit der künstlerischen Freiheit – Maiden’s Blush blüht im Spätsommer nicht mehr.
Sogar die Nacktschnecken lassen sich zu einem mampfenden „Tach!“ herauf.
Nur Sir John Betjeman steht ganz still. „Good Morning, Sir John!“ rufe ich – gemeinerweise wesentlich lauter als nötig. Er zuckt zusammen, öffnet mühsam ein Auge und blickt zu mir hoch. „Oh my God!“, nölt er. „Es muss doch noch mitten in der Nacht sein. Wo kommt denn die Sonne schon her? Kann die nicht mal jemand zuschieben?“ Sir John zwinkert gequält Richtung Himmel, aber keine Wolke tut ihm den Gefallen. Er atmet ein. Atmet aus. Atmet ein. Schweigen. „Bööööaaaaarp!“ dringt ein Schwall von Nennen-wir-es-Luft empor. Ein restalkohol-geschwängerter Geruch von schalem, magensäure-aromatisiertem Whisky entweicht seiner gut desinfizierten Kehle und mischt sich mit einem intensiven Fremd-Rosenduft. Gewiss hatte der Herr gestern Abend engeren Umgang mit einer Dame. Ich habe ohnehin den Verdacht, dass zwischen ihm und diesmal zum Beispiel Louise Odier irgendwas läuft. Sein zart-grüner Eigenduft geht dagegen völlig unter.
Schweigen. „Sir John? Hallo? Befinden Sie sich wohl?“ Bevor Sorge aufkommen kann, beugt der Herr den roten Kopf leicht zur Seite und reihert mit einem herzhaften ‚Hualp!‘ gekonnt in die mir abgewandte Richtung. Als mich der leidende Blick der nunmehr triefenden Staude auf dem Boden trifft, fällt mir schuldbewusst ein, dass ich versprochen hatte, sie umzupflanzen. Bald. Sehr bald. Sofort nach dem nächsten Regen. Die Arme. Wer hätte gedacht, dass das Leben einer Rosen-Unterpflanzung solch‘ ein hartes Los sein kann.
„Sie haben ja offenbar ordentlich gefeiert letzte Nacht!“ Doch er hört kaum zu. Obgleich seine Mundwinkel noch triefen, zwinkert er Darcey und Louise zu. „Als Schwerenöter ein echter Profi…“, muss ich anerkennen. Während er sich das Gesicht abwischt, schaben ihm seine Blätter über das stachelige Kinn (Rosen haben Stacheln, keine Dornen!). „Aber wenn Louise oder Darcey dieses käsig-säuerliche Odeur jetzt riechen könnten, wären sie nicht so angetan von ihm…“ denke ich. Schnell nehme ich lieber eine Nase voll von der lieblich-augenaufschlagenden Maiden’s Blush, bevor ich meinen Rundgang fortsetze.
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Tut mir leid, liebe 24-Fans – ich finde die Kombination aus Rose und Whisky überaus unglücklich, um es vorsichtig zu formulieren. Nicht allein, dass mir davon geradezu übel wird, auch sozusagen absolut gesehen bleibt mir die Idee dahinter fremd. Käsefuß in Alkohol im Rosenbeet? Vor dem Hintergrund des bewusst (wahlweise bemüht) exzentrischen Anspruchs von Atkinson’s scheint mir durchaus denkbar, dass die sich über ihre eigene Komposition schlapplachen. Mir hätte bereits die weißblumige Note direkt nach dem Auftragen genügt, welche mich unschön an meinen gelegentlich erwähnten Tuberosen-Weichkäse erinnert. Und dann die Fortsetzung: Keine Rose, die ich kenne (und ich kenne einige) riecht derart. Von den übrigen Zutaten ganz zu schweigen.
Erst Stunden später wird die Mischung gefälliger, wenn man es so ausdrücken mag. Doch selbst in der Schlussphase, nach 8plus Stunden, hält sich die verkatert-besoffene Rose wacker aufrecht. Technisch womöglich eine Leistung - für mich schlichtweg K.O.-Kriterium, daher meine höchst individuelle und vielleicht ungerechte Bewertung. Mir persönlich ist die ostentative Spleenigkeit den einen oder anderen Schritt zu weit vorangetrieben.
Vorteil für Euch: Einer weniger, der da draußen mit dem Zeug herumläuft.
PS: Ich entschuldige mich für ein bisschen Übertreibung mit der künstlerischen Freiheit – Maiden’s Blush blüht im Spätsommer nicht mehr.
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