Pollita
15.11.2021 - 07:22 Uhr
42
Top Rezension
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Bittersüße Verführung

„Überall ist Bitterkeit, Verzweiflung und der Tod“ sang Sonja Kraushofer vom österreichischen Dark-Wave-Ensemble L'Âme Immortelle im Jahr 1999. Ich muss zugeben, ich hab das denen nie abgenommen. Denn sowohl die Stimme der rothaarigen Künstlerin als auch der Stil vieler Songs der Band erinnerten doch mehr an quietschig-fröhlich bunte Combos wie etwa Cascada. Wenn ich Lust auf melancholische Klänge habe, die für mich außerdem authentisch sind, dann bevorzuge ich Nick Cave and the Bad Seeds oder auch The Cure und nicht so ein Herumgehüpfe. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

Bittere Duftnoten sind eigentlich auch nicht unbedingt meine Favoriten. Schließlich werde ich im Umfeld der Chypres seltenst fündig. Das ist mir meistens zu sehr „bleibt fort von mir“ oder „geh doch zum Lachen gleich in den Keller“.

Was also finde ausgerechnet ich an einem recht bitteren Duft wie Kufi? Selbst Parfumos, die mich ein bisschen besser kennen, wie etwa Susan oder auch SchatzSucher, haben erstmal gedacht „hääää?“ Tja, ich will es euch verraten. Kufi ist nicht ausschließlich bitter für meine Nase. Dieser Duft ist so wunderbar bitter-süß, dass er mich wärmt und schützt wie eine liebevolle Umarmung. Draußen ist es kalt? Egal. Ich sitze hier drin, habe mir einen Eisenkrauttee gekocht und einen Löffel Honig dazugegeben und kuschle am knisternden Kamin. Herrlich!

Im Auftakt erinnert mich dieser Duft von Wacholder und Koriander tatsächlich an Eisenkraut. An Tee. Ich empfinde diese bittere Note als heimelig, denn ganz schnell sind auch schon die Pflaume und Myrrhe zur Stelle und sorgen für einen herrlichen süßen Gegenpart. Diese beiden Noten lassen mich an süßen Honig denken, der meinem Tee das Bittere nimmt und ihn angenehm und lecker macht. Mit etwas Fantasie, und wir sind ja schließlich hier in Russland, kann ich mir auch gut noch einen Schuss im Tee vorstellen. Hier in der Nähe gibt es eine kleine Brennerei, die einen Zwetschgenbrand im Angebot hat, der lange im Holzfass gelagert wurde. Goldzwetschge heißt dieser. Auch daran lässt mich dieser feine Duft denken. Die Schnapsdrossel Pollita lässt mal wieder grüßen.

Die Rauchnoten sind herrlich heimelig, als hätte man gerade ein gemütliches Kaminfeuer angezündet. Trotz seiner grünen Grundtendenz ist dieser Duft für mich ein Winterduft. Sibirien passt für mich super. Ein Duft, der einem in der kalten Jahreszeit ein Gefühl von Wärme gibt, wie eine warme, flauschige Kuscheldecke. A propos flauschig: Auch wenn nicht gelistet, ich meine, hier außerdem eine feine Moschusnote im Fond wahrzunehmen.

Ja, ich habe mich verliebt. Und wenn Mr. Polly nicht meckert (es gab bei der ersten Begegnung Andeutungen von wegen Klostein, pah!), dann werde ich mir dieses Schätzchen gönnen. Sowas Schönes!

Herzlichen Dank, mein lieber Floyd. Ein Volltreffer!
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