Sixes & Sevens 2018

Floyd
24.11.2022 - 13:07 Uhr
50
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Vernebelt das Licht der Gedanken

Die Lotterlampe hängt tief. Ihre surrenden Strahlen bohren in die Pupillen, in die Iris, wie Wurzeln, die gleißend aus der Glühbirne wachsen, die müden Augen stechend bitter reizen, den Tisch überziehen mit scharf flimmernden Netzen, die schmierigen Perlen auf alten Glatzen, die vor diffuser Dunkelheit sitzen, Röhren im Raum, Schwarzlichtfetzen. Die Holzwände klamm von wässrigen Harzen, etwas grau von kaltem Rauch in den Ritzen. Wie viele Nächte wir hier unten schon schwitzen. Siebenen und Sechsen. In kalten Händen. Die Gedanken verätzen, kann die Andern kaum sehn, sie verschwimmen in Dämpfen von Terpentin aus den ledrigen Lumpen von Arbeitskleidern, die wir seit Jahren tragen. Wir schweigen, haben uns nicht mehr viel zu sagen. Nicht mal mehr Zigaretten.
***
Josh Lobbs Slumberhouse Projekt entstand in den späten Nullerjahren im Pazifischen Nordwesten der USA mit dem Ziel möglichst einzigartige Düfte zu erschaffen: "In a demonstration of the perfumer’s capacity for madness, these offerings emphasize a strictly visceral approach to scent design."
"Sixes & Sevens" (im Englischen für einen Zustand der Verwirrung stehend) beginnt mit wurzelartig-hellen (Iris), stechend scharfen und leicht bitter-animalischen Noten (Bibergeil, Weinraute), welche sich zunächst durch ein ultraviolettes Halbdunkel von synthetischem Oud und Benzoeharzen weben, bevor der deutliche Kreuzkümmel würzig-schwitzige Aromen darüberlegt. Darunter wandelt sich das Oud schon bald in terpentinartige Dämpfe der Kolophoniumharze, welche einem verschlissenen Werkstattlumpen (Zibet, Leder) zu entweichen scheinen, welcher auf einer hellholzigen, mit Leimresten versehenen und von altem Rauch leicht angegrauten Werkbank (Sandelholz, Weihrauch) liegt.
Die ganze Szenerie ist dabei ganz und gar nicht brachial, eher etwas unterkühlt und distanziert. Ein vernebeltes Licht in einem dunklen Zimmer, geraucht wird dort schon lange nicht mehr, man riecht stattdessen die alten Hölzer, die Arbeiterkleider und Körper, abendfüllend, moderat bis hautnah.

(Mit Dank an BeScho)
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