Fluxit
Fluxits Blog
vor 8 Jahren - 07.10.2016
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Stuff. So much stuff.

Das Thema “Wieviel Parfum ist zuviel?” ist ein häufig wiederkehrendes und für manchen Parfumo sensibles Thema, das bereits mehrfach diskutiert worden ist. Ich möchte einen Schritt zurück gehen und die Frage allgemeiner stellen: “Wieviel Zeug ist zuviel?”

Ausgelöst wurde diese Fragestellung bei mir durch verschiedene Ereignisse:

  • Flüchtlingsspenden: Sieben Tüten (v.a. Kleidung) habe ich 2016 abgegeben, für manche Stücke musste ich mich durchringen.

Erkenntnis: Mein Kleiderschrank gefällt mir viel besser. Kein einziges Stück habe ich seitdem vermisst.

  • Rucksackreise: Über den Jahreswechsel bin ich zwei Monate in SO Asien unterwegs gewesen. Ich habe lange geplant, wie ich Gewicht und Größe des Rucksacks so reduzieren kann, dass er als Handgepäck durchgeht. Gereist bin ich dann mit 35 Litern, ca. 8 kg, kein Check-in. Ich war sehr stolz und gehörte zu den lästigen Reisenden, die das auch jedem ungewollt auf die Nase rieben ;)

Erkenntnis: Befreiend. Und wieder habe ich nichts vermisst. Nichts!

  • Teilzeitarbeit: Dieses Jahr bin ich temporär auf 80% Arbeitszeit heruntergegangen. An den freien Tagen habe ich in einem Anfall von Aktivismus meinen Besitz an Unterhaltungsmedien stark reduziert (Bücher um 25%, Musik-CDs um 75%, CD-ROMs und DVDs um 100%) sowie jede Menge Kleinkram abgegeben.

Erkenntnis: Toll ist es! Und ein drittes Mal: Ich vermisse nichts. Im Gegenteil, ich möchte in den nächsten Wochen noch mehr loswerden und genieße die aufgeräumte Leere. Dazu beginnt sich wie automatisch auch der Rest meines Lebens besser zu sortieren.

Nichts davon ist neu, "Simplify Your Life" und Konsorten bevölkern seit Jahren den Buchmarkt, Marie Kondo hat mit ihrem Bestseller "Magic Cleaning" dieses Jahr den Trend erneut richtig hochleben lassen und im Privatfernsehen räumen mir unbekannte Menschen die Wohnungen von mir ebenfalls unbekannten Menschen auf. Ich folge also nur den anderen Millionen und es begeistert mich so, dass ich meine Eindrücke teilen möchte. Aufräumen durch Spenden lasse ich hier außen vor, Rucksack & Co würde ich mal in einem separaten Blogeintrag beleuchten, falls Interesse besteht. Bleibt also das Reduzieren in der Wohnung, bei mir inklusive Parfums. Wem die Verlustangst schon die Augen bewässert, kann ich direkt versichern, dass es vielmehr um eine Bereicherung geht, denn die eigentliche Frage lautet: “Wie fühle ich mich freier und zufriedener?”


Konkret in vier Schritten

Ich traue euch natürlich sehr wohl zu, dass ihr wisst, wie man ausmistet ;) Aber nach dem Austausch mit Kollegen habe ich doch festgestellt, dass es jeder ein bisschen anders macht und man voneinander lernt.

1. Check: “Bringt dir das Objekt Freude?”

Von Frau Kondo hatte ich in meiner Ausmistphase zwar noch nichts gehört, aber unbewusst hab ich mir bei allen Dingen diese Frage gestellt, die sie in ihrem Bestseller empfiehlt. Erfüllt mich der Besitz / Anblick mit Freude? Wenn ja, behalten. Wenn nicht, dann weg. Und wie?

2. Verschenken

Nicht verkaufen. Kleinanzeigen & Co kosten Zeit, das ist ja auch Geld. Und gutes Karma ist ‘ne feine Sache, die meisten Parfumos schicken aus gutem Grund gratis Proben mit. Ich habe Fotos meiner Abgaben in FreeYourStuff-Gruppen auf Facebook reingestellt und einen Sammeltermin ausgemacht, an dem alle meinen Kram abholen konnten. Mein ganzes Wohnzimmer war voll - etwa die Hälfte ging weg. Zweimal hab ich das wiederholt und mich gefreut, dass andere mehr Spaß an meinen Dingen haben als ich. Manche Gegenstände hielt ich für unvermittelbar und doch gab es überraschend dankbare Abnehmer (schmutzige Bettlaken als Hundedecke, Audiokassetten für Bastelprojekte). Manche brachten im Gegenzug Schokolade ;)

3. Verkaufen

Was keiner wollte, habe ich auf momox.de eingestellt. Geht super mit CDs / DVDs / Büchern. Mit der App den ISBN-Code scannen, dann bekommt man sofort angezeigt, was der Artikel wert ist. Einpacken, abschicken, Porto bezahlen sie. 1-2 Wochen später hat man das Geld. Bei mir war’s ca. 40€ für ein Paket.

4. Wegwerfen

Was immer noch blieb, hab ich mit Zettel an den Straßenrand gestellt. Den Rest habe ich zwei Tage später weggeworfen.


Nächstes Projekt: Werkzeuge

Die braucht man nicht oft, aber wenn man sie braucht, dann richtig. Ich wohne in einem Haus mit ca. einem Dutzend Parteien und werde selten gebrauchtes Großwerkzeug zur freien Verfügung in den Keller stellen. Ich finde eh, dass Werkzeug ort- und nicht personengebunden sein sollte. Klar, kann geklaut werden, aber ich hab damit gute Erfahrungen gemacht und sehe es dazu als Experiment. Auch hier gibt es Facebookgruppen und andere Webseiten, wo Werkzeuge verliehen wird.

Und danach? Einkaufsverhalten überdenken, auch aus ökologischen Aspekten. Also allgemein weniger kaufen und mehr Second Hand (ich besitze übrigens nur zwei Originalflakons). Der Shopping-Kick hält eh nicht lange an, obwohl man merkwürdigerweise jedes Mal an das Gegenteil glaubt. Außerdem stelle ich fest: Weniger Besitz heißt für mich sogar mehr Zeit, weil man weniger Dinge verwalten, saubermachen oder reparieren muss.


FAQ

Wie geht man mit sentimentalen Dingen um?

Also Liebesbriefe hebe ich auf ;) Bei Unterhaltungsmedien hab ich von Lieblingsbüchern & -CDs meine Top of the Top behalten, Musik hab ich überwiegend digitialisiert. Wenn man sich trennen möchte und es nicht schafft, ist die Abgabe leichter, wenn man es einer Person schenkt, die man mag oder die es sehr wertschätzt. Ich hatte z.B. eine Mundharmonika, die ich von meinem Vater geerbt habe. Nie gespielt, aber ein Stück Erinnerung. Jetzt hat sie eine Frau, die sie wiederum ihrem Vater schenken möchte, weil er Mundharmonikas liebt. Das ist doch ein viel genialerer Nutzen für ein Erbstück anstatt bei mir in der Schublade zu liegen.

Machen Bücher nicht ein Stück “Wohnungskultur” aus?

Ja, und um wieder den Bogen zu Parfum zu schlagen, auch Flakons können dazu gehören - bei mir nicht, aber bei anderen hier mit Sicherheit. Ich unterscheide zwischen a) habe ich etwas im Regal stehen, damit andere es gut finden (und mich vielleicht gar für gebildet oder geschmackvoll halten) oder b) weil es mir selbst Freude macht, mich damit auszudrücken? Fall a ist mir erst jetzt so recht bewußt geworden, versuche ich nun weitgehend rauszuschmeißen. Fall b ist Abschätzung: Wenn mir der Besitz mehr Freude macht als die Freiheit, ist das voll ok. Minimalismus heißt nicht, alles wegzuwerfen und spartanisch zu leben, sondern aufzuräumen, um Klarheit, Raum und Zeit in seinem Leben zu schaffen. Die Grenze dazu ist subjektiv und bei jedem anders. Wenn ich mich demnächst fragen werde, wieviel Parfum ich besitzen möchte, werde ich mir jedenfalls diesen Satz ins Gedächtnis holen. Wobei ich mich nicht als Minimalist bezeichne. Mich fasziniert jedoch der Gedanke und ich orientiere mich neu.

Hast du weiterführende Links?

Ja, ein paar. Ich les mich in den letzten Wochen selbst erst ein. Falls es interessant genug bei mir weitergeht, würde ich auch noch einen zweiten Blogartikel schreiben.

http://mrminimalist.com/start/

http://www.theminimalists.com/game/

http://tidyingup.com/books/the-life-changing-magic-of-tidying-up-hc

http://www.momox.de/

Eine Freundin rät darüber hinaus: Für jeden Kauf muss etwas Altes raus. Gefällt mir sehr gut.


Nebenbemerkung:

Ich finde es manchmal irritierend, wenn Blogeinträge - gar unter dem edlen Deckmantel ach so selbstloser Erfahrungen - heimlich der Selbstdarstellung dienen und gebe zu, dass dieser durchaus in diese Kategorie fällt ;) Ich würde mich trotzdem freuen, wenn der ein oder andere sich angeregt fühlt und vielleicht gar den Stups mitnimmt, um bei sich Raum zu schaffen. Und bitte versteht den Eintrag nicht als Kritik an euren teilweise gigantischen Sammlungen. Jeder wie er mag.

Schönes Wochenende,

- Fluxit

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