Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 29.04.2021
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Independentlabels - ein kurzer Ausflug

Mit Nischenhäusern ist das so eine Sache, und da meine ich nicht die Nischenhäuser die wir alle kennen sondern tatsächlich den Independent/Artisanmarkt. Zweifellos, hier existieren viele spannende Marken, deren Kreateure nicht selten für andere große Marken aktiv werden. Alleine die Zoologist-Parfumeure, da gibt es einige mit eigenem Label. Mir geht es hier nicht um die Preisgebung, welche mitunter fantasievoll anmutet sondern um die Veröffentlichungspolitik. Nicht wenige solcher Marken begnügen sich nicht gerade mit wenigen Releases im Jahr sondern liegen da bei zwei- bis dreistelligen Neuveröffentlichungen. Das ist nicht wenig, als Parfumo bedeutet das zugleich viel testen respektive regelmäßige Sample-Kits. Aber auch darum soll es hier nicht gehen sondern um die Vorstellung mancher Häuser, deren Duftschwerpunkt und wie bei den Massen neue Releases noch herausstechen können. Ich habe ein paar Häuser ausgewählt, die einigen bekannt sein werden, von ganz extremer Nische habe ich einmal abgesehen.

Fangen wir mit House of Matriarch an, Christi Meshell hat jeden einzelnen der hier gelisteten 69 Düfte komponiert, im Schnitt nahezu zehn Düfte pro Jahr. Das ist auch anhand der Discovery-Sets bemerkbar, satte 16 Stück gibt es zu erwerben. Sie sortiert ihre Düfte tatsächlich nach Jahreszeit und preist ihre Düfte als High Beauty an - das hat seinen Preis. Ein 50ml Flakon des aktuellen Ghazal kostet auch aufgrund der verwendeten Ingredienzen und des Destillationsprozesses knappe 840 US-Dollar. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb finden sich recht viele Bewertungen hier, ich selber kenne lediglich sieben ihrer Düfte, diese sind aber meist besonders und spannend gewesen. The Maj duftet wie ein Gewürzbaum, Eaglewood ist klar und straight, ein feiner Oudduft, Destrier riecht nach Leder mit grünem Einschlag, dabei derb. Das ergibt alles Sinn, denn ein Destrier war DAS Schlachtross im Mittelalter. Mich wundert es, dass es hier noch zu keiner Auftragsarbeit für Zoologist kam, denn Christi Meshell komponiert nicht selten einen Duft zu einem Thema, immerhin gibt es von ihr Düfte namens Albatross und Orca.

Gehen wir weiter und bevor es uns später komplett in die USA verschlagen wird, möchte ich zwei andere Häuser nennen. Zum einen Agar Aura, zum anderen MGO. Agar Aura bieten größtenteils destillierte Oud-Öle an respektive haben dies getan. Spannend finde ich hier, wie unterschiedlich das Oud je nach Herkunft duftet, man unterscheidet sogar nach Region, beispielsweise gibt es zahlreiche Assam-Ouds anstatt diese dem indischen Oud hinzuzuordnen. Oder Borneo-Oud anstatt es hier Malaysia, Indonesien oder Brunei zuzuordnen. Ganz im Gegenteil, der aufmerksame Leser findet dort diverse Kalimantan-Ouds, was damit dem indonesischen Bundesstaat auf Borneo entspricht.

Rund 200 Düfte sind hier gelistet, wenige Bewertungen existieren und es werden nicht nur Ouds destilliert, seit einiger Zeit werden ab und an Blends veröffentlicht, sprich Oud mit weiteren Duftbegleitern. Auch wenn Oud nicht meine Richtung ist, es ist dennoch faszinierend wie vielfältig Oud duften kann und was es hier alles für Unterschiede gibt. Agar Aura ist zwecks Test eine gute Adresse.

MGO ist hier ja durchaus bekannt, rund 100 Düfte sind hier gelistet, pro Jahr sind es nicht selten zweistellige Releases. Ich selber dürfte rund ein Viertel der Düfte kennen, für mich besitzen die meisten eine typisch kratzige, Matte DNA, welche mir nicht immer behagt. Das Spektrum an Varianten ist einerseits groß, andererseits ähneln sich manche Kreationen so als wären gewisse Rohstoffe aktuell vorhanden und die müssen nun verarbeitet werden. Was verständlich ist. Besonders die hochpreisigen exklusiven Parfums sind hier über jeden Zweifel erhaben, sehr vielschichtig, sehr unterschiedlich zueinander, kann man nur empfehlen.

Ich persönlich hätte gedacht, dass MGO übermäßig Rose verarbeitet, da war ich im Irrtum. Highlights sind für mich No. 9, wahnsinnig schön und ein floraler Duft für jeden, der sonst keine floralen Düfte mag. Library Visit ist ein düster-staubiger Duft, Pour Homme und Barbershop besitzen einen altehrwürdigen und mich nicht störenden grobmotorischen Touch.

Jetzt aber wieder ab in die USA:

Neil Morris ist hier mit mehr als 100 Düften präsent, er hat weitaus mehr veröffentlicht, wie man weiß, wenn man nicht gelistete Düfte von ihm als Probe erhält und diese Düfte auch nirgends im Internet zu finden sind. Sei es drum, er unterteilt die Kreationen in die Signature Collection und The Vault, worin er zahlreiche unterschiedliche Düfte listet. Ich selbst kenne gute 12-15 Düfte von ihm, manches hat mich nicht erreicht, anderes aufgrund der Geradlinigkeit umso mehr. Zumal Neil Morris häufiger Leder (Sherlock, Leather Garden) verarbeitet, was mich für gewöhnlich reizt, auch wenn ich noch nicht meinen Duft gefunden habe. Ansonsten kann ich aufgrund seiner Dichte und seines Rauchs nur Chasing Autumn empfehlen, Midnight at the Crossroads Café gefällt mir auch sehr gut, da der Duft Kaffee und Tee spannend interpretiert.

DSH Perfumes bringt es auf schlanke 360 hier gelistete Düfte, ich kenne gut zwei Dutzend davon. Viele sind spezielle Releases für wenige Monate, weswegen die hohe Anzahl nicht weiter verwundert, mal ganz außen vor gelassen dass Frau Hurwitz seit vielen Jahren tätig ist. Tatsächlich verbaut Dawn Spencer Hurwitz häufig florale Noten, veröffentlicht aber immer wieder gänzlich verschiedene Düfte. Lediglich die Haltbarkeit, die dürfte oft besser sein. Mir persönlich gefiel Zeitgeist 55 aufgrund des Leders sehr gut, Heirloom Elixir - A/Embers punktete mit wunderbar eingefangenem Amber. Davon abgesehen gibt es nicht wenige Walddüfte wie Sweet Pine Tar aber auch Räucherwerk zu bestaunen. Auch bei ihr empfehlen sich Sample-Kits. Übrigens ist Snowy Owl von Zoologist von ihr.

Solstice Scents steht hier mit 251 Düften in den Büchern, nicht selten gibt es verschiedene Variationen eines Duftes. Ich selber kenne gar nicht viele Düfte der Marke aber beispielsweise Inquisitor mit seinem schön in Szene gesetzten Leder oder Manor Fire mit der wunderbaren Amberverarbeitung, das sind schon Highlights. Natürlich auch die Affenschule, wenn man denn E-Zigaretten-Apfelaroma mag. Diese Marke gilt es auch für mich, noch weiter zu testen. Die Haltbarkeit ist außerordentlich, das ist man nicht immer von kleineren Marken gewohnt. Für mich ein kleines Juwel.

Zu guter Letzt folgt noch Olympic Orchids Artisan Perfumes. Früher habe ich die Erzeugnisse von Frau Doktor Covey häufig als sehr grün und dann mitunter auch sumpfig abgetan. Das geschieht aber nur wenn man sich von den einzelnen Ingredienzen leiten lässt denn ja, vieles ist sehr naturbelassen aber es gibt zitrische Düfte (Hamsa) genau so wie waldige, welche die nach Heu (Salamanca) oder Beeren (Blackbird) duften, man kann aus einer Vielzahl auswählen. Woodcut ist recht beliebt, ein karamellisierter Holzduft, Café V empfiehlt sich, wenn man Chai Latte mag. Tropic of Capricorn ist eine wunderschöne Tuberose, für jeden ist was dabei. Übrigens hat sie den ursprünglichen Bat für Zoologist kreiert, welcher mittlerweile als Night Flyer in ihrem Sortiment zu finden ist. Aber klar, auch hier gibt es solche und solche Düfte, ihr Kyphi ist für mich persönlich ein absolutes Lowlight.

Das war es für den Moment, vielleicht ist ja jemand neugierig auf die einzelnen Hersteller geworden. Viele sind nur direkt in Übersee zu beziehen, Olympic Orchids aber auch beispielsweise in Spanien. Nicht jeder Duft und nicht jeder Preis sind gerechtfertigt (Stichwort Anna Zworykina-Preispolitik in Relation zur Leistung), viele bieten aber für vergleichsweise kleines Geld spannende Sample-Kits an. Das heißt also testen, testen, testen. Für den gemeinen Parfumo somit wohl ein Traum.

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