Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 16.03.2021
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Die Tuberose

Nachdem ich mit den Wäldern, dem Leder und dem Rauch regelmäßig mit neuen Blogs aufwarte, widme ich diesen hier inhaltlich der Tuberose also einer Blume, welche nun eher in femininen Düften Anklang findet. Das ist leicht zu belegen, bevor hier mit ja aber begonnen wird. Den Beleg liefert Parfumo selbst, denn wenn ich alle gelisteten Düfte mit Tuberose-Bestandteil in der Datenbank durchgehe, dann sind es rund 50 Seiten mit Einträgen. Reduziert man diese um die Kategorisierung feminin, verbleiben 16 Seiten. Schaut man sich nur maskuline Düfte mit Tuberose an, sind es zwei Seiten.

Was fasziniert mich so an der Tuberose? Die Intensität. Der Duft ist stark und kann ganz unterschiedlich eingebracht werden. Für meine Begriffe kann die Tuberose sehr herb und maskulin verflochten werden. In diesem Zusammenhang möchte ich Euch rund ein Dutzend Tuberose-Düfte vorstellen, welche ich als testenswert erachte und welche eher meinem Gusto, also einem herberen Geschmack, entsprechen. Natürlich mag es unzählige Klassiker geben. Die werden hier nicht behandelt.

Wie immer habe ich grob versucht, die Tuberosendüfte einzuordnen hinsichtlich Intensität, Animalik und dergleichen.

Den Anfang macht XPEC-Original. Ein Duft von 2002, offensichtlich per Zeitreise in 2002 gestrandet, hätte er doch in vergangenen Jahrzehnten besser gepasst. Tuberosen-Animalik, sehr dunkel auf satt-grünem Eichenmoos gebettet. Gepaart mit einem Gewürz-Twist entstand ein faszinierender Duft, man könnte mit einem Augenzwinkern sagen, eine sehr maskuline Tuberose. Später fiel mir auf, das habe ich bei fast jedem Duft gesagt. So viel dazu, XPEC war quasi Bestandteil meiner Reise. Insgesamt gesehen fällt XPEC mit seiner Machart deutlich aus dem Rahmen, zeigt aber auf, was möglich ist.

XPEC ist in meiner Auflistung wie gesagt eher die Ausnahme. Bevor wir zum Gros der Tuberosendüfte kommen, blicken wir auf drei quietschfidele Tuberosendüfte welche aufgrund ihrer Zusammensetzung eher an Kaugummi erinnern. Zwei davon zeigen wie es nicht geht, einer dass diese Mischung auch gut sein kann.

Lilyn von Calaj wirkt durch die salzigen Noten recht künstlich wie nicht mehr ganz so frisches Kaugummi; schade, die Idee war gut. Kreiert hat das Ganze Miguel Matos, den ich sonst sehr schätze.

Aber auch in Cosmology stand das Experiment wohl im Vordergrund. Sehr penetrant, fruchtig und künstlich, so missfällt die Tuberose, sie wirkt zu künstlich. Parfumeur? Miguel Matos.

Umso kurioser respektive amüsanter dass er auch Jungle Jezebel konzipiert hat. Der wird hier nicht sonderlich gut bewertet, besitzt logischerweise aufgrund seiner Ingredienzen Kaugummi-Charakter und ist stark überzeichnet. Und zwar so stark, dass Jungle Jezebel schon wieder spannend ist. Intensiver Tuberosenkaugummi, aufgehübscht mit Zibet und fruchtiger Süße. Ob ich so duften möchte? Wohl kaum aber dennoch haben wir hier einen schönen und mal andersartigen Tuberosenduft.

Fahren wir mit der Tuberose nicht als Protagonist, so aber doch als deutliche Nebendarstellerin fort. Hypnosis von MGO bietet eine Armada an Inhalten auf, unter anderem die Tuberose. Jene ist deutlich wahrnehmbar, aber auch eingeflochten und damit limitiert in ihrer Wirkung. Das tut dem Duft an dieser Stelle gut, denn durch die Masse an intensiven Zutaten ist das Herunterdimmen jedes einzelnen Bestandteils empfehlenswert. Der Duft ist nicht meins aber gelungen konzipiert. Mein Favorit und der wohl wundervollste Blumenduft - aber ohne Tuberose - kommt aus demselben Haus, es handelt sich um No. 9 von MGO. Kühl und Mentholcharakter dank grünem Weihrauch, würzig, irgendwo exotisch und geheimnisvoll. Hier hätte ich mir auch mehr von gewünscht, aber nicht jedes Haus liegt einem. Dennoch: Hypnosis ist empfehlenswert, wenn man mit der MGO-DNA umzugehen weiss.

Tambour Sacre ist ebenfalls so ein hier nicht sonderlich hoch bewerteter Duft. Intensiver Kaffee, süßer Zimt und dazu dann intensive, eher liebliche Tuberose. Für mich etwas zu süß aber ein toller Duft, da hier eine ungewöhnliche Kombination geboten wird, die ich bis dato noch nicht kannte. Diese beiden Düfte finde ich trotz Nebenrolle der Tuberose empfehlenswert da die Tuberose einen wichtigen Teil zum olfaktorischen Erlebnis beisteuert. Die heiligen Trommeln sind arg limitiert, aber noch verfügbar, ich selbst bin dank zwei Kommentaren und einem Sharing aufmerksam geworden.

Jetzt schauen wir uns aber mal die Tuberose als Protagonistin an:

Beginnen wir mit einem interessanten Label, nämlich Imaginary Authors. Decisions, Decisions wurde 2020 veröffentlicht und die Tuberose dominiert hier die floral-grünen und zugleich herben Noten. Eigentlich hervorragend, wird es - und das Schicksal teilen viele Veröffentlichungen dieses Hauses - grob, undurchsichtig und breiig. Wirklich bedauernswert.

Wo wir schon bei grober Ausführung sind, ist Andy Tauer nicht weit. Bitte versteht mich nicht falsch, ich schätze einige seiner Düfte, besitze sogar einen weil ich grobes aber dennoch passioniertes Handwerk sehr schätze. Sotto La Luna - Tuberose behagt mir zwar weniger weil die Tuberose in in meinen Augen unpassendem Beiwerk untergeht respektive ihre betörende Art verliert. Dennoch kommt man an dem Werk nicht vorbei wenn man Tuberosendüfte sucht.

Maai von Bogue ist da ein ganz anderer Duft. Technisch beschlagen, gefühlt ein Füllhorn an Ingredienzen, von Tuberose pur bis hin zu die Tuberose ideal ergänzenden Nebendarstellern. Hier wird es mal kühl-verzaubernd dank dem Eichenmoos, animalisch-ledrig dank Castoreum plus anderer Animalik und mal floral-genießerisch. Hervorragend; ich bin zwar nicht Maai wie die liebe Susan aber der Duft hat was.

Noch schöner finde ich allerdings Cabaret Nocturne. Hier wird die Tuberose mit rauchigen Noten gepaart, das steigert die Intensität, inkludiert anmutige Züge und wirkt doch maskulin. Die Orange sorgt für Frische, lockert den Duft auf und das ist nicht verkehrt, denn Gin, Tabak und Animalik zeichnen ein dunkles Bild. Sehr schöner Release eines jungen Labels!

Kommen wir zu zwei Düften aus dem Hause Rogue Perfumery. Flos Mortis wirkt dunkel-intensiv dank der Johannisbeere, dabei existiert noch ein herb-ledriger aber nicht derb-schmutziger Unterton. Flos Mortis riecht mysteriös, besitzt Charakter, kombiniert die Tuberose geschickt. Ich rieche gerne Tuberosendüfte, nur tragen möchte ich sie nicht. Sollte ich damit einmal brechen, Flos Mortis wäre potentiell meine erste Anlaufstelle.

Ebenfalls gelungen aber nicht mein Gusto treffend ist Tuberose & Moss. Tuberose plus Moos kennen wir ja nun schon, die Vanille verfeinert das Ganze. Mir persönlich ist das etwas zu harmlos und lieblich aber gelungen ist Tuberose & Moss, allgemein bietet Rogue spannende Düfte, welche mich zwar nicht immer mitnehmen, aber doch ausgezeichnet entwickelt sind.

Den dritten aus dem Tuberose-Trio von Rogue kenne ich leider nicht, daher erfolgt auch keine Bewertung von mir.

Richtig stark ist in meinen Augen Day Off und das überraschte mich sehr, denn das Label Nose hatte ich wegen Lumberman auf dem Schirm. Welcher mir nicht sonderlich gefiel. Day Off hingegen ist prinzipiell linear und die Tuberose wird von mehreren Noten in changierender Intensität begleitet. Zum einen ist da Eichenmoos, es wird also kühl und distanziert. Zum anderen Weihrauch, welcher der Tuberose mehr Charakter verleiht. Ebenso erhaben und elegant: die Zeder. In meinen Augen eine sehr unterschiedlich aufgestellte Entourage, welche der Tuberose aber Strahlkraft verleiht. Zusammen mit Flos Mortis, Cabaret Nocturne und dem nun folgenden, letzten Duft ist das mein Tuberosen-Favorit. Also wirklich linear? Schon, denn die Abwechslung wiederholt sich, es Ansicht negativ gemeint ist.

Last but not least folgt Tropic of Capricorn. Knallig und vollmundig starten wir, auch verursacht durch Früchte im Auftakt. Mango und Konsorten gehen nahtlos in Animalik über bis dann florales Beiwerk die Tuberose final schmückt. Final? Nun, nicht wirklich denn in der Folge überwiegt mal die eine, mal die andere Tuberosenbegleitung so dass man hier wirklich einen sehr intensiven, facettenreichen und herben Tuberosenduft in den Händen hält. Olympic Orchids ist weiterhin immer einen Test wert!

Nachtrag: Black Tar ist natürlich ebenfalls ein spannender Tuberosenduft, kombiniert er doch trockenen, beißenden Teer mit der Tuberose. Infolgedessen lockert sich das dunkel-kratzige des Teers auf, der Duft wird floral und für das Gros tragbarer. Aber mit dieser Melange muss man auch zurecht kommen. 

Marlowe wurde ebenfalls von mir vergessen, auch hier haben wir einen schönen maskulinen Tuberosenduft, welcher dennoch klassisch anmutet und sich gut tragen lässt.  Die Myrrhe setzt hierbei einige Akzente.

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