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vor 3 Jahren - 17.07.2021
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Was erlauben Zara? Die Namens- und Abfüllungspolitik des Fast-Parfumeurs treibt Researcher in den Wahnsinn

Eigentlich find ich Zara-Düfte konzeptionell bemerkenswert und oft gar nicht schlecht. Sie werden im Auftrag des Fast-Fashion-Giganten Zara (Inditex) von Puig, dem großen Duftmacher aus Barcelona produziert. Puig steht auch hinter Prada-Düften, Penhaligon’s, Dries van Noten, Carolina Herrera, hinter Comme des Garcons und L’Artisan Parfumeurs-Düften. Und Puig hat für Paco Rabanne und Nina Ricci sowie unter eigenem Namen auch einige schöne Klassiker hervorgebracht.

Zudem sind für die Zara-Kreationen durchaus auch einige der Big Names (oder Smart Noses?) der Duftkreativen, von Jo Malone über Alberto Morillas bis zu Jerome Epinette oder Emilie Bevierre-Coppermann an ihre Duftorgeln gegangen und haben aus – gewiss nicht allzu teuren Zutaten – oftmals ordentliche, moderne Düfte gebastelt.

Zara bringt ständig neue Eau de Toilettes (die manchmal ähnlich wie frühere duften) raus; betreibt aber auch ein wenig ‚Klassikerpflege‘, etwa mit dem Iris-Schmeichler 9.0 oder mit seinen frischen Vibrant Leather Parfums und Colognes.

Was mein Wohlwollen und meine Sympathie für das Konzept ‚ordentliche Düfte‘ für Kleingeld, abgefüllt in überaus soliden, klassisch modernen Flakons, mit oft sympathisch unglamourösen Duftnamen freilich irritiert, und was wohl auch so ein wunderbares Archiv und Register wie Parfumo.de an die Grenzen seiner Möglichkeiten bringt, ist folgendes: Die Namen der Parfums sind manchmal offenbar komplett gegensinnig, bzw. gegen die angegebenen Hauptinhalte verwendet. Spinnen die oder verwechseln die Etikette und Inhalte?

Mir fiel das krass (also jenseits der üblichen leichten Pyramidenflunkerei und betrieblichen Heimlichtuerei) auf, als ich jüngst wieder mal einige dieser bekanntlich eher kurzatmigen und sillage-schwachen Wässerchen orderte. Sillage- und Performace-Zurückhaltung finde ich übrigens nicht schlimm, eher menschenfreundlich… zudem kann man nachsprühen oder im Tagesverlauf wechseln.

Ein Cologne mit dem schönen Namen 'Eau de Verveine Vibrante‘ enthält offenbar keine Verbene, sondern wird von Zara erklärt als „Zitrisches Eau de Cologne. Die olfaktorische Pyramide enthält Noten von Bergamotte, Orangenblüte und Bitterorange.“ Aus der gleichen, meines Erachtens interessanten und duftlich gut gemachten Eau de Cologne Serie gibt es ein von mir geordertes und geschätztes ‚Eau de Gingembre Noir‘, dessen „Pyramide enthält Noten von Kardamom, Minze und Patschuli“ und riecht auch tatsächlich NICHT nach Ingwer, welcher aber doch den Namen dominiert ?! Hingegen rieche ich Ingwer recht deutlich im ‚ L’obscurité de l’eau‘ Cologne aus der gleichen Serie, welches mit Grünzitrone, Lavendel und Vetiver in der angegebenen Pyramide und nirgends angegebenem Ingwer aufwartet.

Sowas macht einen (ein wenig, nur ein wenig…) Ordnung liebenden Menschen doch kirre. Was hätte selig Foucault dazu gesagt, oder in einer Neuauflage von ‚Les Mots et les Choses‘ (zu deutsch: ‚Die Ordnung der Dinge‘) dazu geschrieben?? Ist das noch kreativ oder schon gaga und wahnsinnig? Haben die Surrealisten in Barcelona die Namensgebung und Pyramiden-Bauplan-Publikation an sich gerissen?

Oder produzieren die Zara und Puig Fließbandschöpfer und Serienabfüller soooo schnell ständig neue Düfte, dass es ihnen dabei schwindelig geworden ist und sie schlicht die Namen der Düfte verwechseln und falsch zuteilen?? Der Inhalt von Eau de Gingembre passt eigentlich gut zum Namen 'Eau de l’obscurité Noir' und vice versa ebenso!!

Hallo Zara, hallo Puig: dies ist die Bewerbung auf Ihre notwendige (extrem gut bezahlte!!) Stelle des Namens-Controllers!

Ein Skandal im Hinblick auf die Logik einer Datenbank und einer Research-Wundermaschine wie Parfumo ist hingegen der süße Kinderduft Zara Tweety. Nicht nur für unser hier stetig Stallwache haltendes und fleissig schreibendes Huhn vom Dienst Pollita, deren bisher verheimlichter Signaturduft dieses so liebliche wie flüchtige Zitrussüsswässerchen TWEETY ist, dürfte die Komplettänderung seiner Inhalte verwirrend und verstörend sein.

Das hier bei Parfumo (als Damenparfum gelistete, räusper: das ist doch wohl eher ein Kinderparfum, als welches es auch bei Zara vertrieben wird… auch wenn ich queeren Aneignungen durch ältere Menschen, wie ich selber einer bin, durchaus aufgeschlossen gegenüberstehe) TWEETY listet als Duftnoten: Früchte, Tangerine, holzige Noten, Vanille, Praline.

https://www.parfumo.de/Parfums....

Zara hingegen gibt für sein aktuell vertriebenes Tweety (nun in einer kleinen, quietschgelben unzerstörbaren Metallflasche abgefüllt) folgende Hinweise: „Zitrisches Eau de Toilette. Die olfaktorische Pyramide enthält Noten von Pampelmuse, aquatischem Duft und Sandelholz.“ Und so, ganz nett, aquatisch glücklicherweise harmlos und insgesamt kinderfreundlich schwach, riecht es auch.

Mir kann das im Grunde egal sein (wenn sich der Foucaultianer in mir ein wenig beruhigen möchte), da ich sowieso viiieeel mehr auf den tollen Daffy Duck https://www.parfumo.de/Parfums...  aus der gleichen Reihe stehe, der mich sehr an das geschätzte ‚White‘ von Lalique mit seinem herrlich chilligen Bergamotten-Gewürz-Pfeffer-Vibe auf Fluffy-Base erinnert.

Ähm, naja, ok: auch da erzählt die angegebene Zara Pyramide (Bergamotte, Lavendel, Vetiver) natürlich nichts von, Was mich doch schon wieder irritiert, wenn so ein Signaturduft-Kandidat wie der coole Daffy Duck hier unter falscher Pyramdie segelt.

PS: Die nicht schlecht gemachten Vibrant Leather Düfte weisen übrigens auch keine Ledernoten in meiner Nase oder der Duftpyramide auf; Zara Rain N°02 - Bergamot & Leather Spritz dagegen schon.

Echt gaga, was?
(Eau de Gaga von der gleichnamigen Lady hat sehr schöne sanfte Wildledernoten, by the way!).

Aktualisiert am 01.09.2022 - 04:58 Uhr
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