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vor 5 Jahren - 16.08.2019
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Duftseminar – Workshop in Holzminden, 1. Tag

Duftseminar 1. Tag

Als Überraschung schenkten mir mein Sohn und meine Schwiegertochter zum Geburtstag ein Duftseminar und den anschließenden Workshop im Torhaus am Katzensprung in Holzminden.

Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich kann zwar Düfte einigermaßen gut erriechen, kenne und erkenne viele Parfüm und Duftnoten, weiß theoretisch einiges, auch über die Ingredienzen, den Aufbau der Pyramide. Selber etwas zu machen, ein Seminarnachmittag mit jemand von Fach konzentriert zuzuhören ist ein viel einprägsameres und verfestigenderes Lernen. Zudem werden Unklarheiten und falsche Vorstellungen korrigiert, man kann Fragen stellen.

Wie ich aus der Teilnehmerkarte zu den beiden Veranstaltungen entnehmen konnte, sind die Duft- und Aromaseminare sowie der Duftworkshops von der "Konzeptagentur Symrise" in Holzminden in Kooperation mit dem "Stadtmarketing Holzminden GmbH" organisiert.

Nachdem ich den Veranstaltungsort kannte, konnte ich im Internet sehen, dass Herr K.-H. Bork der Kursleiter wäre. Da in Holzminden "Symrise" seinen Firmensitz hatte ging ich davon aus, dass er ein Parfümeur von Symrise sein würde.

Am ersten Nachmittag fand das Duftseminar mit allen Teilnehmern statt. Für den Workshop am nächsten Tag wurden die Teilnehmer auf zwei Gruppen nacheinander aufgeteilt.

Herr Bork stellte sich vor und schilderte seinen eigenen Werdegang. Er hatte zunächst ein Drogistenlehre absolviert und seine Ausbildung an der „Deutschen Drogistenakademie“ abgeschlossen. Weil er damals schon voraussehen konnte, dass es bald keine Drogerien mehr geben würde, ergriff er die Möglichkeit bei der damaligen Aromastofffirme H & R in Holzminden den Beruf des Parfümeurs als weiteren Teil seiner Ausbildung zu lernen.

Dies genügte Herrn Bork nicht, erschien ihm nicht kreativ genug, daher ging er mit seiner Frau nach Südfrankreich, lebte in Cannes und ließ sich in Grasse zum „Creative Studio Parfumeur“ ausbilden.

Danach wagte er den Sprung nach Paris wo er ein Studio in der „Rue du Faubourg St. Honoré vis à vis von Hermès“ Düfte kreierte und Parfüms verkaufte.

Wieder zurück in Deutschland war er einige Monate für Symrise in Holzminden tätig. Herr Bork 2003 gründete danach die Firma "multisens" . Im Jahr 2017 gründete Herr Bork "das dufthaus“ in Stadtoldendorf. Dort kann man ebenfalls alles über Düfte erfahren, Informationsstunden und -gespräche, Seminare und Workshops buchen, um sein Wissen über Parfüms zu erweitern, und probieren, sein eigenes Parfüm zu kreieren. Oder sich ein maßgeschneiertes/bespoken Parfüm von Herrn Bork herstellen lassen. Weiteres ist direkt bei Herrn Bork zu erfragen.

Das scheint mir ein einzigartiges Konzept zu sein.

Rasch wurde mir klar, dass Herr Bork nicht nur ein sehr erfahrener und passionierter Parfümeur ist, sondern sein Wissen und seine Erfahrung sehr verständlich und gestrafft gut strukturiert und komprimiert an Laien, wie wir es sind, vermitteln kann, und das routiniert und mit aufmerksamer Gelassenheit. Immer assistiert und unterstützt durch seine Frau, so dass Zeit an den beiden Tagen wie im Flug verging.

Niemand wurde mit zu viel Theorie überfordert. Aber auch jemand wie ich, die etwas über Parfüm weiß, war nicht gelangweilt. Ganz im Gegenteil. Für mich haben sich einige Unklarheiten aufgelöst. Vieles, was ich „en passant“ und durch viel Lesen gelernt habe ordnete sich, Wissenslücken wurden gefüllt. Viel ist mir über die Parfüms, die wir heute benutzen klar geworden, besonders, was die Riechstoffe und die daraus gemixten Noten betrifft.

Danach begann der Hauptteil des Parfümseminars.

Auf unseren Tischen standen für jeden Teilnehmer Riechstreifenhalter für Riechstreifen/Duftstreifen bereit und Becher mit vielen Riechstreifen/Duftstreifen.

Dann kam Frau Bork nacheinander zu jeder Teilnehmerin und reichte Riechstreifen herum, die sie vorher in eine Glasphiole getaucht hatte. Wir sollten konzentriert daran riechen um die Duftstoffe zu raten, oder besser noch um sie zu erkennen.

Das ging ganz entspannt und nach dem alle wußten, welcher Duft sich je auf den Streifen befand, beschrifteten wir die Streifen und steckten sie in die Riechstreifenständer.

Es waren Myrrhe, Zimt, Calmus und Cassia. Die alle zu unserer Überraschung mehr oder weniger nach Zimt dufteten. Calmus konnte ich nicht selber raten, jetzt habe ich eine Vorstellung davon. Myrrhe erkannte ich, aber die ganz entfernte Zimtnote in dem gereichten Riechstoff hat mich überrascht, das nahm ich in Düften mit Myrrhe niemals so wahr, obwohl ich Myrrhe leicht erkenne. Herr Bork informierte uns, dass es sich um biblische Salböle handele.

Danach stellte er die Frage an uns, wie wir den Geruch von Milch beschreiben würden. Alle guckten wir ratlos überlegend. Jedoch wollte Herr Bork keine Zeit mit Antworten verschwenden und machte uns klar, dass das dieses Beispiel sehr deutlich mache, dass jeder Mensch eine individuelle Geruchswahrnehmung hat. Sicher, ich weiß das, aber erkenne ich das immer rückhaltlos bei anderen an? Gerade hier im Parfumo?

Weiter ging es mit der Unterteilung der Rohstoffpalette: 1. natürliche, 2. naturidentische, 3. synthetische Riechstoffe.

Dabei wurden Duftstreifen mit verschiedenen zitrischen Riechstoffen an uns verteilt, die wir identifizieren sollten, die Bezeichnung dann auf den Streifen schreiben, und dann in den Halter für Duftstreifen schieben sollten.

Der 1. Streifen roch nach Bergamotte, der 2. Streifen roch stark nach Bergamotte aber auch aromatisch zitrisch, lieblicher und ebenfalls sehr bekannt. Es war das bekannte 4711.

Des Weiteren wurde uns nacheinander je ein Duftstreifen mit Tuberose, Citronell, Rosenöl, Ylang-Ylang (von Herrn Bork wie Ülang-Ülang ausgesprochen), Lavendel, Nelke/Eugenol, Galbanum, Patchouli, echtes Sandelöl, und als kleine Kostbarkeit ein Streifen mit cremig-aromatischen hellen Holzduft mit echtem Mysore-Sandel gereicht. Wobei Herr Bork erwähnte, dass Mysore-Sandel-Holzöl, aber auch die synthetische Variante zudem als Fixativ in Düften verwendet wird.

Während wir mit dem Erraten und Schnüffeln beschäftigt waren, miteinander darüber berieten, entstanden über den Duftstreifen nachdenkliche Pausen, in denen Herr Bork behutsam unsere Aufmerksamkeit mit einzelnen Erläuterungen in die Lücken einsprengend auf sich lenkte.

Angefangen damit, dass echtes Bergamottenöl durch Auspressen gewonnen wird, und dieser natürliche Riechstoff auch seinen Preis hat. Hingegen echte Tuberose durch „Enfleurage“ ihres Duftes „beraubt“ wird. Die Blüten werden dazu nach dem Pflücken sofort in vorbereitete Rahmen mit Schweineschmalz gepresst und anschließend durch Extraktion, also mit Alkohol vom Fett getrennt, zu Tuberosenextrakt ohne Schmalz verkauft und verarbeitet wird. So produzierter Tuberosenextrakt kostet zur Zeit 7000 € das kg. - (Und ist natürlich nichts für Veganer).

Er erwähnte das seit dem Mittelalter durch Avicenna entwickelte Dampfdestillationsverfahren, was für verschieden Duftöle noch immer angewandt wird, z. B. für Citronell (hier herrscht oft Unklarheit beim Listen der Pyramiden,es wird auch als Zitronatzitrone/Litsea Cubeba, Neral, Tomatenblatt, Citronell-Gras/Zitronengras, je nach Konzentration und Mischung mit anderen Duftstoffen und Duft"idee" aufgeführt). Im Allgemeinen kennen wir das Wasserdampf-Destillationsverfahren hauptsächlich für die Gewinnung von Ätherischen Ölen wie Rosenöl und Ylang-Ylang, Lavendel.

Er erwähnte auch die modernen Verfahren der Gaschromatographie und die Head-Space-Analyse, ging aber auf diese Verfahren nicht weiter ein. Einerseits weil es zu viel und zu kompliziert gewesen wäre und andererseits hätte es den Zeitrahmen gesprengt. Zudem war es für uns Laien, die wir nur die einfachste Form der Parfümherstellung kennen lernen wollten zunächst unwichtig.

Mittlerweile hatten wir die Düfte unserer Streifen eingehend wahrgenommen und beschriftet in die Halter gesteckt.

Dadurch, dass Frau Bork sehr routiniert immer im richtigen Moment, die die Streifen rechtzeitig frisch vorbereitet hatte und sie an uns verteilte entstanden keine Lücken und Pausen.

Zügig weiter ging es mit den durch Extraktion als Lösungsstoffe wie Alkohol gewonnenen Riechstoffen wie Jasmin, Orangenblüte, Eichenmoos (eine Baumflechte) Labdabum (Zistrose, Cistus) das Herr Bork auch als natürliche pflanzliche-)Ambra bezeichnete.

Danach fuhr Herr Bork mit den naturidentischen Duftstoffen wie Vanillin fort. Vanillearoma aus echten Vanilleschoten herzustellen ist ein sehr aufwändiges, langwieriges und teures Verfahren. Für den gesamten Weltbedarf reichen die natürlich angebauten Vanilleschoten bei Weitem nicht aus. Es wird stattdessen das seit 1874 von den Chemikern Haarmann (hier sind wir wieder bei der Urfirma "Haarmann und Reimer" und Tiemann entwickelte/erfundene, das aus Holz, also Ligninen hergestellte Vanillin in großen Mengen produziert; für Lebensmittel, als Aromastoff für viele Anwendungen und für Parfüms verwendet.

Weiter wurden uns Linalylacetate für z. B. Bergamotte und Lavendel per Duftstreifen unter die Nase gehalten.

Neben natürlichem Moschus rochen wir macrocyclinischen Moschus- ein Molekül dem natürlichen Moschus nachgebaut, das cremig und doch so „nackt“ auch irgendwie beißend scharf für mich roch.

Synthetisches Galbanum wird auch für den immer synthetisch komponierten Riechstoff Ananas verwendet.

Dabei erfuhren wir zu meinem Erstaunen, dass der Duft von Maiglöckchen nicht aus natürlichen Maiglöckchen gewonnen werden kann. Maiglöckchenduft wird immer synthetisch erzeugt.

Aha, gut zu wissen, dachte ich! Und mir fiel „Aqua Universalis“ von Maison F. Kurkdjian ein.

Nach einer Pause und dem Lüften des Raums ging es weiter. Wir sollten weder Kaffee trinken, noch am Duft von Kaffeebohnen als „Reset“ des Riechsinns eine Nase nehmen. So etwas war nicht vorhanden, davon hält her Bork nichts. Sondern es gab nur Mineralwasser oder wer lieber mochte, Kraneburger. Ebenso sollten wir möglichst ein wenig an die frische Luft gehen.

Danach ging es um den Aufbau, die Grundkonzepte der Parfümduftgruppen, die wir kennen und das ein Schema zur Orientierung ist, die Übergänge sind oft fließend:

Dieses wurde jeweils nur kurz angerissen, stattdessen wurden uns Duftstreifen mit Beispielen gegeben:

Für Floral/Foriental

L’Air du Temps - Version K-H Bork

Paris YSL, jedoch die alte nicht neu formulierte Version - Version K-H Bork

Trésor, Lancôme - Original

Poison, Dior - Original

Flower by Kenzo - Version K-H Bork

2. Orientalische Düfte:

Shalimar, Guerlain - Version K-H Bork

Typ Roma - Version K-H Bork - Sensation

Typ Opium, YLS - Version K-H Bork - Angelina

3. Für Chypre:

Mitsouko, Guerlain - Version K-H Bork - Chypre Classique

Paloma Picasso - Version K-H Bork - Ballade/Bellino

4.Für Fougere-Düfte:

Pour Monsieur von Caron= Klassisches Fougère - Original

Zino von Davidoff - Version K-H Bork

Cool Water - Version K-H Bork

Wie wir auf dem Diagramm erkennen konnten, rücken einige Düfte an die anderen heran, sie überschneiden sich innerhalb der Grundkonzepte.

Herr Bork ließ uns auch einige von ihm nachempfundenen Replika an berühmte Düfte vor ihrer drastischen Neuformulierung testen. Wobei er Schüttflakons mit Glasstopfen hatte, freundlich-nachdrücklich auf die Verwendung von Duftstreifen hinweisend.

Von Spraytestern hatt er keine gute Meinung, weil sie die Luft in Parfümerien und Parfümabteilungen in Läden zu einem atemberaubend erstickenden Duftkonzentrationen verwandeln die ein objektives Testen von Düften unmöglich mache.

Ich war begeistert von einer Replik eines Chypres von „Paloma Picasso“ ein sehr schönes und gelungenes Parfüm, welches nicht nur eine überwältigende Kopfnote hat, sondern im Verlauf für mich immer bezaubernder wird.

Da ich das Original nicht im Typ "Paloma Picasso"kenne war ich unvoreingenommen: Ein erstklassiges Parfüm, ich habe mir einen Reiseflakon davon gegönnt.

Gerne hätte ich auch seine Eigenkreationen „Sylt for Woman“ und Sylt for Man“ testen mögen. Aber ich war satt von dem vielen Riechen und den vielen verschiedenen Riechstoffen im Raum. Das hätte nur zu einem Fehlurteil geführt. Ich kann das auch nicht so auf die Schnelle.

Am nächsten Tag habe ich das leider auch versäumt, weil ich, um das Seminar und den Workshop für den Blog so straff und doch so genau wie möglich beschreiben wollte, stattdessen Herrn und Frau Bork viele Fragen gestellt habe. Das, was ich in der Dichte des Vortrags ungenau notiert hatte, habe ich nachgefragt. Und hoffe, dass ich das korrekt wieder geben konnte.

Wieder zu Hause, habe ich in meinem Buch „Parfüm“ von J.-C. Elléna einiges nachgelesen und gemerkt, dass habe ich jetzt viel mehr über den Aufbau der Parfüm begriffen habe, was mir zuvor nur als unverständliche chemische Formel erschien.

Gut gelaunt verließen wir alle den Seminarraum und ich war nun gespannt, was mich am nächsten Tag im Workshop erwarten würde.

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