Ambivalence

Floyd
03.11.2020 - 11:13 Uhr
51
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Pepe fährt die Ernte heim

Pepe hatte beschlossen, sein panisch paranoides Gesicht aufzusetzen, als er gemessenen Schrittes durch die Gänge des gut gefüllten Großraumabteils eines alten Regionalzuges ging. Die Blicke der Fahrgäste folgten ihm verwirrt.
Was riecht hier nach Gras? Verdammt. Bin ich das? Vorher roch das Zeug noch nach Grapefruit, nach nassen Blättern und Gartenarbeit. Er hatte doch gesagt, ich solle mir den Roelen draufsprühen, wenn ich mit der Ernte fertig wäre. Die schwarze Flasche im Geräteschuppen. Ich hab also die ganze Plantage geerntet, alles in die Plastiktüten und die dann in meinen Rucksack gestopft. Gegen den Grasgeruch gäb's die Grapefruit, würde wirken, sagte er. Helfe ja auch, wenn's Dich verspult. Wie konnte ich nur auf die irre Idee kommen, die ganze Ernte mit dem Zug heimzufahren?
Pepe hatte einen Platz gefunden, in einer leeren Reihe, am Fenster. Den Rucksack hatte er zwischen sich und die Wand geklemmt. Er schnüffelte am Stoff seines Pullis, an seiner Haut. Da waren würzige Gartenkräuter, eher feucht, dann noch Braunblumenbrösel und Heu vielleicht, so süßliches Holz und Reste von Weihrauch, nach den feuchten Blättern der Ernte rochs auch. Pepes panischer Blick ruhte auf dem Rucksack. Der schien zu leuchten, ein Bisschen wie Hitchcock. Draußen war es jetzt dunkel und durch die Spiegelung im Fenster leuchteten Lichter im Abteil nun wie Amber auf den warmen balsamischen Weihrauchschwaden, die umhüllten Pepes Sauerampferballaden aus Grapefruit und Gras, die in den Nebeln verschwanden, die rauchig warmharzig glühten noch Stunden. Und so wurde aus Pepes Ambivalenz eine mauermoosige Ambertendenz.

(Mit Dank an Bloodxclat)
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