Also ich verstehe die Duft-Manie schon. Das Schema ist relativ simpel gestrickt. Die Herde folgt den Leittieren. Der Youtuber H. geht zur Youtuberin L., die wiederum geht zum Youtuber K., der K. geht wieder zur Youtuberin A. usw. usf. - alle preisen das Gleiche.
Hat der eine in seiner wöchentlichen Youtube-Sendung einen Duft, den er bespricht, haben eine Woche später alle anderen Influencer den selben Duft. Man muss eben auch betrachten, dass die meisten Youtuber ihre Existenz damit bestreiten. Das geht nur, in dem ich den Duft lobe und besonders positiv bewerte. Jeder Krämer lobt seine Ware.
Die Düfte, die auf den Kanälen besprochen werden, werden gezielt mit ihrem Release an die entsprechenden Protagonisten lanciert. Dem kann sich keiner entziehen. Würde jeder Influencer den Duft, den er bespricht, selbst kaufen, wären bei den heutigen Preisen schnell die Kassen leer. Käme noch hinzu, dass die Düfte kritisch besprochen würden, säße mancher Youtuber mit der Versorgung und dem Nachschub schnell auf dem Trockenen. Folglich wird in immer kürzeren Intervallen ein Parfüm nach dem anderen auf den Markt geworfen und das Karussell dreht sich von Jahr zu Jahr immer schneller.
Große Marken wie LVHM oder L'Oreal haben ihre eigenen Werbekampagnen und Vertriebskanäle, die sind auf die Zusammenarbeit mit Influencern nicht angewiesen. Bei den Nischenherstellern, die derzeit den Markt vor sich hertreiben, kenne ich keine Werbung. Dort erfolgt die Kampagne im Zusammenspiel mit den Influencern und der Verbreitung via den sogenannten Social Media. Viele Käufer dürften Jugendliche sein, die in diesem Fall genau dem gleichen Gruppenzwang folgen, wie dies bei Sneakern, Uhren und sonstigen Markenbekleidung der Fall ist.
Und auf der Gegenseite, der Käuferseite? Wer sich von dieser Welle packen läßt, hat ganz schnell ein paar Tausend Euro ausgegeben. Wer möchte sich dann schon eingestehen, dass der Kauf vielleicht doch nicht gut überlegt war und das Eau de Toilette oder das Parfüm vielleicht doch nicht so gut gefällt? Die Schiefe bei den Häufigkeitsverteilungen nehme ich als Beleg dafür. Welcher Duft hat denn früher im Durchschnitt mit einer Punktzahl über der Acht abgeschnitten?
Schon in Hans Christian Andersens Märchen Des Kaisers neue Kleider waren die, die nicht sehen wollten, worin sich die Mehrheit ganz sicher war, die Dummen - so hatten es ja die zwei Schneider dem Kaiser und seinem Hofstaat suggeriert.