DasguteLebenIch finde den Begriff Meisterwerk streng genommen unpassend, denn Parfüm ist letztlich nicht Kunst, sondern bestenfalls Kunsthandwerk, oft Kunstgewerbe und in 90% aller Fälle schlicht ein industrielles Massenprodukt.
Was wären also die Kriterien? Wohl kaum, dass er mir persönlich ganz besonders gefällt. Das nennt sich Lieblingsduft. Eventuell ein Duft, der die Benchmark seines Genres darstellt, die Parfümwelt revolutioniert hat, kompositorisch schier Unmögliches vollbracht hat etc. pp.
Das wären für mich Düfte wie Shalimar, Mitsouko, L'Origan, Coty Chypre...Gibt ja schöne Bücher von Michael Edwards darüber. Bei den Herren dächte ich sofort an Patou pour Homme, Eau Sauvage, Habit Rouge, Dunhill (1934), würde aber eher von Klassikern oder Meilensteinen sprechen, und dann gehört etwa auch Old Spice dazu und in neuerer Zeit dior Homme.
Sehe ich ziemlich ähnlich. Nur, dass ich der Parfumkunst durchaus den Status der Kunst zuerkennen würde, wie ja auch das Kunsthandwerk ab einem bestimmten Niveau an Fertigkeit, Inspiration und Ausdruck zur Kunst werden kann.
Ob ein Duft nun ein Meisterwerk ist, oder eben einfach nur ein guter Duft, dafür gibt es kaum Entscheidungshilfen, außer jeder Menge subjektiver Eindrücke und einigen objektiven Parametern, beispielsweise hinsichtlich der Qualität der Komposition.
Treffen sich nun viele in der Ansicht, dass es sich bei dem jeweiligen Duft um eine ganz besonders guten handle, dessen Machart auch noch überaus überzeugend sei, kann man meines Erachtens durchaus von einem Meisterwerk sprechen, was allerdings nicht bedeutet, dass dieser Status bis in alle Ewigkeit bestand hat. Einschätzungen können sich grundlegend ändern, Moden sowieso, und so kommt manchem kürzlich gefeierten Duft auch schnell die Existenzgrundlage abhanden. Wie man gerade in den letzten Jahren sehen konnte: Meisterwerke kommen und gehen. Viele Düfte von Piguet, von Le Galion, von Patou oder Lubin waren schon zur Entstehungszeit allseits beklatschte Meisterwerke und verschwanden trotzdem in der Versenkung.
Aber bei allem Kommen und Gehen gibt es doch ein paar Fixpunkte, die zu unverrückbaren Maßstäben geworden sind, sei es, dass sie ganze Genres definierten, wie beispielsweise Chypre de Coty, Fougère Royale von Houbigant oder Guerlains Jicky, das zum Ur-Typ des abstrakten Parfums wurde, oder sei es, dass sie ob ihrer Güte einen gewissen Legendenstatus erreicht haben, wie z.B. Iris Gris von Jacques Fath oder Guerlains Djedi.
Da viele Inhaltstoffe dieser olfaktorischen Großtaten heute nicht mehr verwendet werden dürfen, lässt sich deren Status als Meisterwerke kaum mehr nachvollziehen. Meist sind sie entweder komplett im Giftschrank gelandet, oder aber als Kopie einer Kopie nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Zum Glück aber gibt´s ja die Osmotheque, das Pantheon der Parfumkunst, der Louvre der Olfaktorik! Oder mit anderen Worten: die Peep-Show des Verbraucherschutzes, denn hier darf bestaunt werden was überall anders streng untersagt ist.
Und trotzdem stehen immer noch (oder wieder) einige der ganz Großen in den Regalen: Knize Ten zum Beispiel, die Klassiker von Guerlain, Edmond Roudnitskas Werke für Dior und Hermès, Germaine Celliers Düfte für Piguet und Balmain, Bernard Chants Arbeiten für Estée Lauder, die legendären Chanel-Nummern von Beaux und Robert und viele andere. Allesamt zu Klassikern gewordene Meisterwerke!
Begriffe wie Meisterwerk, Klassiker oder Meilenstein sind häufig nämlich kaum zu trennen und können nach meinem Empfinden durchaus auch gemeinsam zutreffen.
Oder möchte jemand ernsthaft einem Duft wie Bandit von Piguet eines dieser Attribute absprechen?