Centifolia
Centifolias Blog
vor 6 Jahren - 10.12.2017
87 116

Offener Brief an Ökotest, den EU Regulierungswahnsinn betreffend.

Liebe Mitparfumos, in der aktuellen Ausgabe von Ökotest wurden Parfums getestet. Dies hat mich zu einem Beitrag auf der Facebookseite von Ökotest veranlasst, den ich hier wiedergebe. Das Original findet Ihr hier:

https://www.facebook.com/oekotest/videos/176436628...

Eure Meinung dazu würde mich sehr interessieren!

"Sehr geehrtes Ökotest-Team,

vielen Dank für Ihren interessanten und hervorragend recherchierten Bericht zum Thema Parfum, zu dem ich einige Anmerkungen machen möchte.

Leider würden bei einer vollumfänglichen Umsetzung der Vorschläge des SCCS (Scientific Committee on Consumer Safety) selbst die von Ihnen mit "sehr gut" bewerteten Parfums vermutlich nicht mehr hergestellt werden dürfen, da sie zum größten Teil aus natürlichen Substanzen bestehen.

Gerade natürliche Duftstoffe wären praktisch verboten, da sie mehr oder weniger alle die auf der Abschußliste des SCCS stehenden Substanzen wie Zimtaldehyd, Zimtalkohol, Citral, Coumarin, Eugenol, Farnesol, Geraniol, Isoeugenol, Limonene (oxidised), Linalool (oxidised) enthalten können. Das würde bedeuten, daß zB der Einsatz von echtem Rosenöl (enthält Geraniol und Eugenol) oder Lavendel (Coumarin), Zitrusöle (Limonen, Linalool) usw NICHT MEHR MÖGLICH WÄRE!!!

Die synthetischen Produkte würden wahrscheinlich mit neuen Synthetika ohne jegliche Langzeiterfahrungen ersetzt. Wieviele Allergien diese verursachen werden, wenn sie einmal so lange im Einsatz waren, wie das jetzt verbotene Lyral, weiß kein Mensch!

Ob das die Verbraucher wirklich wollen, sei dahingestellt!

Das im August in Verbot getretene Verbot für Chloratranol und Atranol ist meines Erachtens ein Witz, da diese Substanzen ohnehin nur in Spuren erlaubt waren, die in diversen Promotionen zu dem Thema nachgewiesenermaßen für Nichtallergiker keinerlei sensibilisierende Wirkung zeigten.

Eichenmoos war bisher lediglich zu 0,1% im Produkt, und das nur von einer speziellen atranolreduzierten Qualität (Low Atranol) erlaubt. In diesen extrem geringen Mengen konnten in Studien nur bei ausgewiesenen Kontaktallergikern Reaktionen festgestellt werden.

Würden wir das Verbot auf den Lebensmittelbereich übertragen, müßten sämtliche Lebensmittel, die den Hinweis "Kann Spuren von...enthalten" für alle Verbraucher verboten werden!

Wir haben bereits jetzt in der EU die weltweit strengste Gesetzgebung, was Kosmetika betrifft und bereits heute ist es jedem Duftstoffallergiker möglich, Produkte zu meiden, die ihm Probleme verursachen.

Bei den Regulierungen geht es um Kontaktallergien, Schwierigkeiten anderer Art mit Parfum (MCS, Asthma oÄ) werden dadurch nicht behoben.

ZB rücksichtslose Mitmenschen, die alles im Umkreis von 100m einnebeln.

Das ist ein anderes Thema, welches durch dann gezwungenermaßen immer mehr synthetische Duftstoffe für die Betroffenen nicht besser werden wird, im Gegenteil!

Auch ich als Herstellerin bin für Verbraucherschutz (und GEGEN die allgegenwärtige massenhafte extreme Bombardierung mit Duftstoffen, die die Umwelt verschmutzen, zB Weichspüler, Waschmittel, Unstoppables usw) und hätte überhaupt kein Problem mit einer Volldeklaration, da das Listen der Rohstoffe eben nicht die Formel des Parfums offenlegt. Wenn wir die Ziffern 0 bis 9 kennen, wissen wir noch lange nicht die Kombination für die Sechs im Lotto.

Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich aber auch, daß viele Verbraucher nicht einmal mit den bisherigen 26 angegebenen Stoffen etwas anzufangen wissen.

Daher wäre es eine viel pragmatischere Lösung, daß alle Hersteller auf Verlangen zur Auskunft über sämtliche eingesetzten Rohstoffe verpflichtet werden und / oder die Stoffe auf ihrer Internetseite veröffentlichten.

Ich kann mir kaum vorstellen, daß es verbraucherfreundlich sein soll, in Zukunft zu jedem Kosmetikprodukt ein extra Buch von bibelähnlichem Ausmaß samt Lesebrille beizufügen!

Der erhebliche Extraaufwand wird zu ebensolchen Kosten führen, die am Schluß alle tragen müssen.

Um die Hintergründe der Regulierungswut in Brüssel zu verstehen, muß man wissen, daß die im SCCS beschäftigten Wissenschaftler ihren Posten schnell los wären, wenn sie die momentan ohnehin extrem strengen Vorschriften einfach als ausreichend bewerten würden.

Herrn Professor Uter, der das Gutachten für die gegenwärtig teils schon umgesetzten Vorschläge des SCCS (also das von Ihnen auch erwähnte Verbot der drei Substanzen) verfasst hat, würde ich schon als einen Großinquisitor des Parfums bezeichnen.
Wie auch in Ihrem Bericht zu lesen, gehen seine Vorstellungen selbst vielen Kollegen zu weit.

Er möchte meines Wissens schon eine Deklarationspflicht für "Allergene", auf die es lediglich 10 gemeldete Reaktionen gibt. Dies führt dann zu einem Riesendschungel von undurchsichtiger Überinformation, obwohl es die ganz überwiegende Mehrheit überhaupt nicht betrifft.

Das halte ich für absolut realitätsfern, denn wir leben nun mal nicht in einer allergenfreien Welt!

Es scheint mir, als würden die EU Regulierungen nach dem Prinzip: "Wer einen großen Skandal verheimlichen möchte, inszeniert am Besten einen Kleinen." verteilt.

Mir wäre es jedenfalls wesentlich wohler, wenn einmal die wirklich gesundheitsschädlichen, uns alle betreffenden Probleme konsequent angegangen würden, bei denen niemand die Wahl hat.

Zum Beispiel: Pestizide in Umwelt und Nahrung, Luftverschmutzung, Nitratbelastung und Hormone im Trinkwasser, Abgasskandal, Massentierhaltung usw usw.

Man braucht nur kurz in Ökotest zu schauen, um vieles zu finden, zB in der aktuellen Ausgabe die Pestizide im Tee!

Ich finde es unglaublich verlogen, mit vom mündigen Verbraucher freiwillig wählbaren Riechstoffen einen Regulationskreuzzug anzutreten, während zB Zigaretten frei verkäuflich sind und jeder selbst über sein Risiko entscheiden kann.

Mit herzlichen Grüßen, Annette Neuffer Duftmanufaktur"

87 Antworten