Karasu Apoteker Tepe 2016

Ich könnte schwören, das alte Buch begann sich zu bewegen, es hat aufgehört einfach nur dazuliegen, ich sah Fäden im Rücken sich langsam regen, eine buttrige Schicht auf die Regalbretter geben, die glänzte perlmuttfarben und roch noch nach Leben in einer vergessenen Bibliothek. Worte krochen wie Wurzeln über alte Seiten, worüber nun winzige Staubwolken wirbelten, Silberpartikel aus Kardamom, scharf und kühl wie Kampfer und herb wie Zitronen in den Lichtbalken über den Fensterbrettern, an denen Äste noch starben mit verdorrenden Blättern. Der ganze Raum war ätherisch erdiger Schimmer auf dem alten vergilbten Papier. Ich war selbst im Inneren einer Wurzel, starrte Worte durch speckige Tierhautfaser, sah das Wandern des Bucheinbands aus wildem Leder entlang der balsamischen Siamhölzer, schummrig glimmende Regalmeter im zarten Rauch der schwelenden Blätter.
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Nicholas Nilsson von Pineward erwarb im Jahr 2022 die eingestellte Apoteker Tepe-Reihe von Holladay Saltz, um sie gemeinsam mit ihr neu aufzulegen. Als 'ergebener Fan' von Saltz' Kreationen wollte er diese Düfte der Welt noch einmal zugänglich machen. Welch ein Glück.
Karasu Tengu sind mächtige Waldgeister der japanischen Mythologie. "Karasu" verbindet einige der traditionellen Rohstoffe des 'Kōdō', eines japanischen Weihrauchrituals, welches auch zum Rufen der Karasu Tengu dient. Der Duft eröffnet mit einer leicht animalischen Kostuswurzelnote, welche in ihrer Konsistenz an Irisbutter erinnert. Dazu gesellen sich bald hellgrün-rauchige (Papier, Hinoki), würzig-scharfe, zitrisch-eukalyptusartige (Kardamom) sowie balsamisch-hellholzige Noten (Siam-Holz). Das wirkt in Kombination mit der Kostusbutter zunächst grün-würzig-animalisch-likörig, ehe im Herzen daraus zunehmend ein scharf-würziger, erdig-wurzeliger und dennoch cremiger Wildlederduft wird, der in der Basis mehr und mehr zarte, trockene Rauchnoten vom Papier offenbart.
Mich erinnert der Duft an alte abgegriffene Bücher, deren vergilbte rauchige Seiten den scharfen, hellen Geruch ihres Wildledereinbandes, die ätherischen Dämpfe des Leimes im Buchblock, die grüne Zellulose in den Seiten, die erdig-wurzeligen Noten einer Lagerung im Keller sowie die balsamischen Holzaromen eines Bibliothekregales in sich aufgesogen haben. Das Buch bewegt sich gute sechs Stunden lang moderat bis leise durch die vergessene Bibliothek.