Pollita
Hühnergegacker
vor 7 Monaten - 26.09.2023
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Ich ergebe mich und fresse das gesamte Süßigkeitenregal leer. Oder Designerdüfte für Damen 2023.



Erst kürzlich beschwerte ich mich über die rauchenden Schlote des Chemiewerks. Und ich muss
schon wieder meckern zum Thema Duftmode. Aktuell folgt auf fast jede
Enttäuschung eine weitere. Ich spreche von aktuellen Designerdüften. Während
wir vor ca. 20 Jahren aus einer unglaublichen Vielfalt an Duftrichtungen wählen
konnten, riecht heute gefühlt jede Neuerscheinung gleich. Damals waren neue
Düfte immerzu eine Überraschung. Einige waren kühle Chypres, die am liebsten die
kalte Schulter zeigten, andere waren Calonebomben, die für eine
Meeresassoziation sorgen sollten (klappt bei mir bis heute nicht), es gab sinnliche
Orientalen sowie wunderschöne florale Düfte und softe Moschussschmeichler. Die
Auswahl war einfach riesig. Und jedes Töpfchen fand sein Deckelchen.


Hier stehen zwar mit fast 40 Düften zwischenzeitlich genügend Deckelchen, aber hey,
entdecken macht Spaß und außerdem ist im Schrank ja auch noch etwas Platz. Die
Gefahr, dass ein aktueller Designerduft bald in diesem Schrank steht, ist
allerdings nicht gerade groß. Denn wie bereits erwähnt, besonders viel Auswahl
gibt es anscheinend nicht mehr. Ob Lancome, Guerlain, YSL, Valentino oder Dolce
& Gabbana: Gefühlt jedes neue Parfum für Damen ist eine Ethylmaltolbombe.
So süß und zuckrig, dass ich mir den Duft gerade mal an 14-15-jährigen Mädchen
vorstellen kann. Lollipop mit Kirschgeschmack trifft auf Fritt-Stangen und
Trolli-Würmchen. Dazu noch Geleebananen und Cocktail-Fertigmischungen und das
wieder und wieder und wieder. Originalität? Fehlanzeige! Sexiness? Okay, wenn „friss
Dich bewusstlos“, ein Attribut meiner Henne Bella, heutzutage als sexy gilt,
dann eventuell. Der aktuelle D&G-Duft hat den wundervollen Namen Devotion.
Ergebenheit. Was soll ich darunter verstehen? Ich ergebe mich und fresse hier
gleich im Supermarkt das komplette Süßigkeitenregal leer? Was hat das bitte
noch mit Parfum zu tun? Hätte es vor 20 Jahren oder noch früher ausschließlich
solche Parfums gegeben, ich hätte mich vermutlich niemals für das Thema Duft
interessiert.

Ein kleiner Vergleich mit Speisen zeigt schnell auf, worauf ich hinauswill: Mal angenommen,
es gibt nur noch Süßigkeiten und zwar nur noch die rosa Sorte mit viel
Fruchtgeschmack. Besonders künstlich, versteht sich. Mit echtem Obst hat das
nichts zu tun. Das wurde selbstverständlich abgeschafft, bzw. gibt es nur noch
als Vintage-Version für den zehnfachen Preis wie vor 15-20 Jahren auf Ebay. Kann
schließlich Allergien auslösen. Das gleiche gilt für saure Gurken, für Wurst
und Käse, überhaupt sämtliche deftigen Speisen, Gemüse uvm. Ja, so in etwa
fühle ich mich, gehe ich heutzutage in eine Parfümerie und schaue mir die
Neuerscheinungen an.

Verwirrend sind für mich außerdem die Duftnotenbezeichnungen. Ich lese immer wieder
Orangenblüte. Eine für mich gar wundervolle Note. Doch dieses Üppige, Florale,
wie ich Orangenblüte kenne, etwa von einem meiner Lieblinge JPG Classique, das
existiert heute nicht mehr. Die Vorstellung, die Parfumeure heutzutage von
Orangenblüten haben, ist Zuckerwasser mit Gummibärensoße, Geschmacksrichtung
Orange, nicht Blüte. Ich vermute mal, das trifft heutzutage auf so manche
Duftnote zu, egal welche Richtung.

Kurzum, ich verstehe es einfach nicht mehr. Ein Glück, dass hier und da noch schöne
Klassiker in den Regalen stehen, die behutsam reformuliert wurden. Das Schöne:
Sie duften noch nach Blüten, nach Gewürzen, nach Moschus, nach Leder, teilweise
noch nach Eichenmoos und anderen schönen Dingen. Sie duften nach Parfum. Und
genau das würde ich mir heute auch hin und wieder wünschen. Der Süßkram ist ja
prinzipiell okay, für diejenigen, die so etwas mögen, aber es gibt doch weiß
Gott noch genügend Leute, die gerne einfach nach Parfum duften würden. Leute,
macht mal wieder Parfum. Also richtiges Parfum. Das wär toll!
Eure Polly

Bildnachweis: Kostenfreie Bilder von Pixabay.

Aktualisiert am 26.09.2023 - 05:18 Uhr
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