13.08.2024 - 21:24 Uhr

DuftDoktor
19 Rezensionen

DuftDoktor
3
Liebeserklärung an das grün-ledrige Chypre
Der Duft "Lippizan" ist offenkundig der Pferderasse der Lippizaner gewidmet. Sie stammt aus dem slowenischen Gestüt Lipica und wurde dort Ende des 18. Jahrhunderts durch Züchtung erschaffen. Da diese Pferde intelligent und gelehrig sind, eignen sie sich bestens für die Dressur. An der Spanischen Hofreitschule in Wien wurden sie breit eingesetzt und erlangten dadurch weltweit Bekanntheit. Typischerweise sind Lippizaner Schimmel, aber es gibt unter ihnen auch andere Farben.
Seit acht Jahren befindet sich der Lippizaner in meinem Stall, äh, Parfümschrank. Gut fand ich ihn immer. Allerdings erst mit der Zeit - insbesondere in den letzten Monaten - habe ich Liebe zu ihm entwickelt. Offen gestanden, hatte ich ihn zuvor nicht wirklich verstanden. Es ist also wieder einmal (siehe etwa Citrus Paradisi) ein Duft, bei dem es "Klick!" machen muss, um seine Schönheit erfassen zu können.
"Lippizan" ist ein Oldschool-hafter Vertreter der grün-ledrigen Chypres. Wie Ihr Parfüm-Aficionados freilich wisst, ist ein Chypre ein klassisches Duftkonzept, welches zitrisch eröffnet und sich über ein florales Herz zu einer Rasierwasser-Basis (aus Eichenmoos, Labdanum und Patchouli) entwickelt. Es gibt zahlreiche Spielarten davon, z.B. durch Zugabe von Ledernoten. Das passt prima zu etwas Fougère-haften grünen Noten wie Basilikum oder Estragon. Dann hat man ein grün-ledriges Chypre. Dabei können die zitrischen Noten gänzlich durch grüne ersetzt oder durch diese ergänzt werden. Bei "Lippizan" ist Letzteres der Fall, d.h. es sind sowohl zitrische als auch grüne Noten enthalten.
Grün-ledrige Chypres sind eine meiner liebsten Duftrichtungen. Kurz gesagt, meine Lieblingsduftrichtungen sind maskuline Rosen-Düfte (z.B. Red Sea), Gentleman-Düfte und außergewöhnliche, aber tragbare Düfte (z.B. Classic 1920). Zu den Gentleman-Düften zählen m.E. in erster Linie Vetiver-Düfte (z.B. Vetiver Eau de Toilette), Chypres (z.B. Moustache Eau de Toilette Concentrée oder Eau de Rochas (2015)) und Fougères (z.B. Platinum Égoïste Eau de Toilette). Und bei den Chypres sind die grün-ledrigen Chypres (z.B. Versace L'Homme Eau de Toilette) meine liebste Kategorie.
Wenn wir gerade beim Theoretisieren sind (was jemandem mit meinem Parfumo-Benutzernamen bitte erlaubt sei, gnhihi...), hier noch eine Anmerkung: Die Grenze zwischen grün-ledrigen Chypres und ledrigen Fougères (z.B. Pour Lui Eau de Toilette) ist hauchdünn. Das Maß zur Unterscheidung sind m.E. die "Waldigkeit" und Seifigkeit (Barbershop-Style) eines Duftes. Indizien sind für mich Baumharze (Tanne, Fichte, Kiefer) und Lavendel. Aber es gibt auch ein grün-ledriges Chypre mit Fichte und Lavendel, nämlich Devin Eau de Cologne. Also, wie man sieht, ist der Grenzbereich schillernd. Noch komplizierter wird es dann, wenn man noch die Aromatic Fougères hinzunimmt, welche auch meistens Leder enthalten (wie z.B. Xeryus Eau de Toilette oder Azzaro pour Homme Eau de Toilette).
Zitrisch, krautig, bitter, Rasierwasser-haft eröffnet der Lippizaner. Zitrus und Salbei sowie dessen Geschwisterchen Estragon machen diesen Eindruck hauptsächlich aus. Sie werden von den beiden ätherischen Gewürzen Thymian und Kardamom unterstützt. Auch die grünen Noten des Herzens (Vetiver und Galbanum) bzw. der Basis (Eichenmoos) tragen zu der grünen Krautigkeit bei.
Dieser kompromisslose Auftakt dürfte nicht allen Menschen gefallen. Aber das trifft wahrscheinlich auf den Auftakt vieler Chypres zu. Mit der Zeit werden Chypres - so auch der vorliegende - immer verträglicher und weicher. Insofern braucht man auch mit Lippizan eine halbe Stunde nach dem Aufsprühen keine Befürchtung vor einem Nase-rümpfenden Umfeld zu haben.
Der Salbei in einem zitrisch-grünen Umfeld hat mir zu Beginn Schwierigkeiten bereitet. Dann ist mir klargeworden, dass Salbei gar nicht muffig sein muss. Salbei-Bonbons sind ja auch recht "un-kräuterig", sondern recht frisch, beinahe fruchtig. Und so habe ich mich dem Salbei in Lippizan vorsichtig genähert. Mittlerweile möchte ich ihn in diesem Duft nicht mehr missen. Den bitter-sauren Auftakt genieße ich in vollen Zügen (nee, Atemzügen...).
Das Herz des Lippizaners ist deutlich gesetzter. Die Zitrik verschwindet, die starke Krautigkeit weicht einem eleganten, leicht krautigen, leicht bitteren Grün (mit etwas Zedernholz). Wie für ein Chypre wenig überraschend, gesellen sich florale Noten hinzu, allerdings dezent dosiert. Rose und Jasmin glaube ich mit etwas gutem Willen zu erkennen, von Iris ist dagegen keine Spur.
Auch wenn Geranie nicht enthalten ist, kommt die bitter-krautige und etwas florale Duftaura des Herzens der einer Geranie nahe. Dieses Chypre-Herz ist äußerst maskulin und erinnert mich an G-man Eau de Cologne. Offen gesagt, hätte ich bei Lippizan auf 100 Prozent Herren-Besitz getippt. Respekt an die drei Parfumo-Damen, welche Lippizan ebenfalls - neben 34 Parfumo-Herren - ihr Eigen nennen.
Die Rasierwasser-Basis des Lippizaners ist wunderbar weich. Sachte dosierter cremiger Moschus und eine leichte, trockene, unsüße Vanilligkeit mildern die schroffen Duftnoten Eichenmoos und Leder elegant ab und erzeugen einen Hauch von "Oriental Chypre"-Atmosphäre.
Als Vergleichsdüfte nenne ich Boss Spirit Eau de Toilette, Safari for Men Eau de Toilette und Godolphin:
-) Boss Spirit ist ein grün-ledriges Chypre mit ebenfalls einer scharfen Krautigkeit (welche dort v.a. auf Estragon zurückgeht) zu Beginn, allerdings ohne Zitrik. Seine Basis ist jedoch ziemlich anders, nämlich von ambriertem Leder gekennzeichnet.
-) Safari for Men ist ein grün-ledriges Chypre mit zahlreichen Erweiterungen (holzig, rosig, orientalisch). Wie sein Name andeutet, thematisiert es wüstenhafte Trockenheit. Das Herz von Lippizan empfinde ich ebenfalls als trocken. Insofern besteht da eine gewisse Parallele, auch wenn die Düfte doch unterschiedlich riechen. Immerhin teilen sie sich den Dufttyp (grün-ledriges Chypre) und einige Duftnoten (wie z.B. Estragon und Rose).
-) Godolphin ist ein weiterer bitter-krautiger Duft desselben Herstellers, nämlich Parfums de Marly. Er besitzt Verwandtschaft mit Tuscan Leather Eau de Parfum, ist aber kein Duftzwilling. Mir ist er aufgrund des stärkeren Grüns und abwesender Himbeere deutlich lieber.
Das Haus Parfums de Marly (PdM) hat seinen Stil in den letzten Jahren stark geändert. Und zwar vom gewagten Oldschool Style zum modernen Massengeschmack. Eigentlich betrachte ich PdM nicht mehr als Nischenmarke, auch wenn sie für ihre Kreationen Nischen-Preise aufrufen. Mit den neuen Werken des Hauses kann ich nichts anfangen. Sie sind nicht schlecht, aber berühren mich nicht. Na ja, dann freue ich mich eben an deren älteren Düften Lippizan (2010) und Godolphin (2011). Diese kann ich allen Liebhabern von Oldschool-haften Gentleman-Düften nur ans Herz legen.
So sind nun "Lippizan" und diese Rezension eine Liebeserklärung an den Dufttyp des grün-ledrigen Chypres. Das erinnert mich an Shakespeare (aus "Der Widerspenstigen Zähmung): "Ich schmacht', ich brenn', ich sterbe!" Na ja, zu sterben braucht man wegen diesem phantastischen Duft ja nicht gleich, aber ein olfaktorischer "kleiner Tod" ("petite mort") ist schon angebracht.
Seit acht Jahren befindet sich der Lippizaner in meinem Stall, äh, Parfümschrank. Gut fand ich ihn immer. Allerdings erst mit der Zeit - insbesondere in den letzten Monaten - habe ich Liebe zu ihm entwickelt. Offen gestanden, hatte ich ihn zuvor nicht wirklich verstanden. Es ist also wieder einmal (siehe etwa Citrus Paradisi) ein Duft, bei dem es "Klick!" machen muss, um seine Schönheit erfassen zu können.
"Lippizan" ist ein Oldschool-hafter Vertreter der grün-ledrigen Chypres. Wie Ihr Parfüm-Aficionados freilich wisst, ist ein Chypre ein klassisches Duftkonzept, welches zitrisch eröffnet und sich über ein florales Herz zu einer Rasierwasser-Basis (aus Eichenmoos, Labdanum und Patchouli) entwickelt. Es gibt zahlreiche Spielarten davon, z.B. durch Zugabe von Ledernoten. Das passt prima zu etwas Fougère-haften grünen Noten wie Basilikum oder Estragon. Dann hat man ein grün-ledriges Chypre. Dabei können die zitrischen Noten gänzlich durch grüne ersetzt oder durch diese ergänzt werden. Bei "Lippizan" ist Letzteres der Fall, d.h. es sind sowohl zitrische als auch grüne Noten enthalten.
Grün-ledrige Chypres sind eine meiner liebsten Duftrichtungen. Kurz gesagt, meine Lieblingsduftrichtungen sind maskuline Rosen-Düfte (z.B. Red Sea), Gentleman-Düfte und außergewöhnliche, aber tragbare Düfte (z.B. Classic 1920). Zu den Gentleman-Düften zählen m.E. in erster Linie Vetiver-Düfte (z.B. Vetiver Eau de Toilette), Chypres (z.B. Moustache Eau de Toilette Concentrée oder Eau de Rochas (2015)) und Fougères (z.B. Platinum Égoïste Eau de Toilette). Und bei den Chypres sind die grün-ledrigen Chypres (z.B. Versace L'Homme Eau de Toilette) meine liebste Kategorie.
Wenn wir gerade beim Theoretisieren sind (was jemandem mit meinem Parfumo-Benutzernamen bitte erlaubt sei, gnhihi...), hier noch eine Anmerkung: Die Grenze zwischen grün-ledrigen Chypres und ledrigen Fougères (z.B. Pour Lui Eau de Toilette) ist hauchdünn. Das Maß zur Unterscheidung sind m.E. die "Waldigkeit" und Seifigkeit (Barbershop-Style) eines Duftes. Indizien sind für mich Baumharze (Tanne, Fichte, Kiefer) und Lavendel. Aber es gibt auch ein grün-ledriges Chypre mit Fichte und Lavendel, nämlich Devin Eau de Cologne. Also, wie man sieht, ist der Grenzbereich schillernd. Noch komplizierter wird es dann, wenn man noch die Aromatic Fougères hinzunimmt, welche auch meistens Leder enthalten (wie z.B. Xeryus Eau de Toilette oder Azzaro pour Homme Eau de Toilette).
Zitrisch, krautig, bitter, Rasierwasser-haft eröffnet der Lippizaner. Zitrus und Salbei sowie dessen Geschwisterchen Estragon machen diesen Eindruck hauptsächlich aus. Sie werden von den beiden ätherischen Gewürzen Thymian und Kardamom unterstützt. Auch die grünen Noten des Herzens (Vetiver und Galbanum) bzw. der Basis (Eichenmoos) tragen zu der grünen Krautigkeit bei.
Dieser kompromisslose Auftakt dürfte nicht allen Menschen gefallen. Aber das trifft wahrscheinlich auf den Auftakt vieler Chypres zu. Mit der Zeit werden Chypres - so auch der vorliegende - immer verträglicher und weicher. Insofern braucht man auch mit Lippizan eine halbe Stunde nach dem Aufsprühen keine Befürchtung vor einem Nase-rümpfenden Umfeld zu haben.
Der Salbei in einem zitrisch-grünen Umfeld hat mir zu Beginn Schwierigkeiten bereitet. Dann ist mir klargeworden, dass Salbei gar nicht muffig sein muss. Salbei-Bonbons sind ja auch recht "un-kräuterig", sondern recht frisch, beinahe fruchtig. Und so habe ich mich dem Salbei in Lippizan vorsichtig genähert. Mittlerweile möchte ich ihn in diesem Duft nicht mehr missen. Den bitter-sauren Auftakt genieße ich in vollen Zügen (nee, Atemzügen...).
Das Herz des Lippizaners ist deutlich gesetzter. Die Zitrik verschwindet, die starke Krautigkeit weicht einem eleganten, leicht krautigen, leicht bitteren Grün (mit etwas Zedernholz). Wie für ein Chypre wenig überraschend, gesellen sich florale Noten hinzu, allerdings dezent dosiert. Rose und Jasmin glaube ich mit etwas gutem Willen zu erkennen, von Iris ist dagegen keine Spur.
Auch wenn Geranie nicht enthalten ist, kommt die bitter-krautige und etwas florale Duftaura des Herzens der einer Geranie nahe. Dieses Chypre-Herz ist äußerst maskulin und erinnert mich an G-man Eau de Cologne. Offen gesagt, hätte ich bei Lippizan auf 100 Prozent Herren-Besitz getippt. Respekt an die drei Parfumo-Damen, welche Lippizan ebenfalls - neben 34 Parfumo-Herren - ihr Eigen nennen.
Die Rasierwasser-Basis des Lippizaners ist wunderbar weich. Sachte dosierter cremiger Moschus und eine leichte, trockene, unsüße Vanilligkeit mildern die schroffen Duftnoten Eichenmoos und Leder elegant ab und erzeugen einen Hauch von "Oriental Chypre"-Atmosphäre.
Als Vergleichsdüfte nenne ich Boss Spirit Eau de Toilette, Safari for Men Eau de Toilette und Godolphin:
-) Boss Spirit ist ein grün-ledriges Chypre mit ebenfalls einer scharfen Krautigkeit (welche dort v.a. auf Estragon zurückgeht) zu Beginn, allerdings ohne Zitrik. Seine Basis ist jedoch ziemlich anders, nämlich von ambriertem Leder gekennzeichnet.
-) Safari for Men ist ein grün-ledriges Chypre mit zahlreichen Erweiterungen (holzig, rosig, orientalisch). Wie sein Name andeutet, thematisiert es wüstenhafte Trockenheit. Das Herz von Lippizan empfinde ich ebenfalls als trocken. Insofern besteht da eine gewisse Parallele, auch wenn die Düfte doch unterschiedlich riechen. Immerhin teilen sie sich den Dufttyp (grün-ledriges Chypre) und einige Duftnoten (wie z.B. Estragon und Rose).
-) Godolphin ist ein weiterer bitter-krautiger Duft desselben Herstellers, nämlich Parfums de Marly. Er besitzt Verwandtschaft mit Tuscan Leather Eau de Parfum, ist aber kein Duftzwilling. Mir ist er aufgrund des stärkeren Grüns und abwesender Himbeere deutlich lieber.
Das Haus Parfums de Marly (PdM) hat seinen Stil in den letzten Jahren stark geändert. Und zwar vom gewagten Oldschool Style zum modernen Massengeschmack. Eigentlich betrachte ich PdM nicht mehr als Nischenmarke, auch wenn sie für ihre Kreationen Nischen-Preise aufrufen. Mit den neuen Werken des Hauses kann ich nichts anfangen. Sie sind nicht schlecht, aber berühren mich nicht. Na ja, dann freue ich mich eben an deren älteren Düften Lippizan (2010) und Godolphin (2011). Diese kann ich allen Liebhabern von Oldschool-haften Gentleman-Düften nur ans Herz legen.
So sind nun "Lippizan" und diese Rezension eine Liebeserklärung an den Dufttyp des grün-ledrigen Chypres. Das erinnert mich an Shakespeare (aus "Der Widerspenstigen Zähmung): "Ich schmacht', ich brenn', ich sterbe!" Na ja, zu sterben braucht man wegen diesem phantastischen Duft ja nicht gleich, aber ein olfaktorischer "kleiner Tod" ("petite mort") ist schon angebracht.
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