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BBMies Blog
vor 5 Jahren - 15.07.2019
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Vom Fluch und Segen der Parfumfotos

Es ist persönlich geworden und lang. Ich habe überlegt, zu stückeln. Aber alles gehört zusammen.

Auf den Spuren der Vergangenheit - ich bin jetzt Mitglied einer Community.

Angefangen hat alles, wie wohl bei Vielen hier. Am Anfang stand eine Suche nach einem uralten Duft, der mal eine Rolle gespielt hatte.

Nerval Mystic Love. Neben Magnetic ein Signature meiner Mutter und somit unfreiwilliger Begleiter durch Kindheitstage und Jugend. Ein echter Schatz, den man vor einer gefühlten Ewigkeit für 20 DM im Supermarkt bekommen konnte. Ob es den wohl noch gibt? Oh, hier steht ja ganz viel Tolles... Wie gerne würde ich ihn heute nochmal riechen. Was würde ich dabei empfinden? Läge ich mit meiner Erinnerung richtig? Nicht zu glauben, dass sowas EINGESTELLT ist.

Nächste Station: Triangle. Mein erster eigener „Deal“, an der Kasse von IhrPlatz mit harterkämpftem Taschengeld bezahlt. Irgendwie hatte es uns der niedliche Flakon mit dem matten Orange angetan. Witzige Umverpackung, ein leckerer und, na klar, GANZ besonderer Duft. Ein wenig identitätsstiftend wirkte er auf der hoffnungsfrohen Suche nach Persönlichkeit zwischen 12 und 14. Wie lässig und erwachsen wir uns damit fühlten. Nicht unwahrscheinlich, dass wir frühreifen Teenies viel zu dick aufgetragen hatten und mit unserer fruchtblumeligen Würzwolke erheblich zum schwer aushaltbaren Mief im Klassenraum beitrugen. Ein lähmendes Konzentrat, das den Begriff Atemluft unter keinen Umständen verdient hatte: Diverse Körperausdünstungen von Halbwüchsigen waren untrennbar mit unseren Vanilla Kisses- und Triangellagen verwoben und gipfelten spätestens zur 3. Stunde in einem unsäglichen Todescocktail, der jegliche Lüftungsversuche von hilflosen Lehrkräften an sich abprallen ließ. Ich will da wieder hin. Nur mal kurz. Eintauchen in rebellischen Schwänzergeist. Ein paar Minuten pubertäres Gegacker und Tuschelei inhalieren. Jetzt sofort. Ach herrje! EINGESTELLT.

Schnell wechselte ich bei meiner Reise in die Vergangenheit auf die breiten Spuren des Glücks und der Enttäuschung.

Erster Gedanke: Envy for Men. Ich werde nie vergessen, wie gern ich mit ihm zusammen war, wenn er ihn trug. Frisch und durchdringend. Souverän und sexy. Ein erfolgreicher, gepflegter und wortgewandter Mann, der, wie man zu sagen pflegt „mit beiden Beinen im Leben steht“. Alle Wünsche erfüllt. Begehrt und begehrenswert ist. Jede Frau musste ihn doch haben wollen. Bitte niemals in der Öffentlichkeit tragen, Schatz. Für immer unauslöschlich eingebrannt in mein Dufthirn bin ich sicher, ich würde ihm (dem Duft) bis heute erliegen. Der Flakon ebenso charakteristisch wie der Geruch an sich. Wieso hat der eigentlich keine glatte 10?! Ich ahne es schon... EINGESTELLT.

Erst deutlich später gab ich Boss Number One ins Parfumo Suchfeld ein. Vielleicht spät, weil er eh allgegenwärtig ist. Wo es Parfums zu kaufen gibt, gibt es ihn. Vielleicht aber auch, weil diese Gefühle sicher verpackt in einer verstaubten Kiste auf dem Speicher stehen. Wenn mir diese Sillagebombe heute auf der Straße entgegen brüllt, dann bin ich wieder 17. Dann schlägt mein Herz bis zum Hals und ich verzehre mich nach diesem Mann, meiner ersten großen Liebe. Einem Mann, der eine Zeit lang mein Leben bedeutete. Weil er ein Mann war. Aller Gegenwehr zum Trotz - bis heute komme ich nicht ohne einen kurzen Zug am Sprühkopf im Kaufhaus durch die Parfumabteilung. Aufsprühen würde ich ihn jedoch niemals. Er gehört ihm. Allein. Für immer erhältlich. Für immer Erinnerung.

L 'Eau d'Issey pour Homme. Ich wusste, wenn Du gekommen warst. Ich wusste, wenn Du gegangen warst. Wenn ich mich nach Dir sehnte, bin ich einfach in den Aufzug gestiegen. Hier warst Du immer anzutreffen. Du warst so anders. Du warst erreichbar und selbstbewusst. Jeder wusste das sofort. Ganz selbstverständlich. Also brauchtest Du es nicht hinauszubrüllen. Du warst einfach da. Mit anziehender Lebendigkeit, Klarheit und innerer Stärke. Ein gesundes Herz. Selbstverständlichkeit, dass Du der Richtige bist. Bloß folgerichtig, dass Du Dich nicht verändern lässt. Immer zu wissen scheinst, was Du willst und brauchst. Keinen Durst nach etwas anderem hast. Dir selbstverständlich treu bleibst. Und mir. Alles ist da.

Stille Leserschaft.

Mit etwas gierigem Blick auf die Möglichkeit, Abfüllungen von den haufenweise schönen Geruchsillusionen im Souk erwerben zu können, meldete ich mich nach ein paar Wochen dann doch an. Aber der Respekt vor dem Forum war haushoch. Ich werde hier nie wirklich dazu gehören.

Stille Mitgliedschaft.

Dann drängten sich andere Themen in den Vordergrund. Der Hund zog ein und Parfumo versank für fast ein Jahr im Dornröschenschlaf.

Aber plötzlich juckte es wieder in der Nase und ich befand mich stärker als zuvor in den Fängen der unfassbaren Vielfalt an Kommentaren, Einordnungen und Duftbildern, einem Füllhorn an Informationsdichte, einem Gemisch aus Persönlichkeit und Poesie sowie in der Begegnung mit ungewohnt liebevollen Gepflogenheiten. Ich gierte nach Duftpraxis. Nach meiner ersten Duftpost stand mein Mund noch Tage später offen. Wie passte so viel Großzügigkeit mit so viel Anonymität zusammen? Ich bin eigentlich kein Social Media Typ. Meide das Internet. Habe kein Smartphone. Mag den persönlichen Kontakt mit wenigen, aber eng vertrauten Menschen. In die Augen gucken, Stimme hören.

Es wurde Winter und ich weiß noch, wie leicht mir plötzlich der Kauf von Rococo von der Hand ging, dicht gefolgt von Bois d’Armenie, den ich stolz wie Oskar (es war der letzte erhältliche Flakon) kurz vor Weihnachten hinaus durch den Torbogen des hiesigen Luxusparfumdealers bis in meinen heute aus allen Nähten platzenden Parfumschrank beförderte. Von da an war ich Stammgast im Souk und dauerpleite. Diagnose: Parfumkaufsüchtig.


Die Parfumfotos – Hurra, mein Leben hat einen Sinn.

Meine Rolle: Die unstillbare Konsumentin. Funktionslos gelenkt vom Wahn, erfahren und besitzen zu wollen. Ich war sicher, niemals in der Lage zu sein, einen Duft hilfreich oder realistisch beschreiben zu können. Ich konnte damals nicht in Worte fassen, was ich wahrnahm. Kam mir dennoch einmal eine Duftnote oder auch nur eine grobe Duftrichtung in den Sinn, von der ich überzeugt war, sie sicher ausfindig gemacht zu haben (endlich, endlich!!), so tauchte diese selbst bei dem unterkomplexesten Gebräu mit Massentauglichkeitsfaktor auch in 44 Kommentaren und 287 Statements hundertprozentig NICHT auf.

Ich kann bis heute nicht in Worte fassen, was ich wahrnehme.

Ich habe gelernt, damit zu leben und mich zu hüten, andere Menschen unnötigerweise mit meiner Duft-Beschreibungsunfähigkeit zu irritieren. Es reichte schon, dass ich in der Schule immer den Notenschnitt runtergezogen hatte, bitte nicht auch noch das Parfumo-Niveau runterziehen. Ein wenig schmarotzerhaft kam ich mir vor. Hier war bei so vielen Usern Herz und Wissen im Spiel. Und auch, wenn ich mit Begeisterung las und testete, brachte ich lediglich Moneten in den Kreislauf und konnte weder Düfte noch Wahrnehmung mit anderen teilen. All das hier schien mir für Kenner und Wahrnehmungstalente. Ich war ein Beginner ohne Worte. Ich fühlte mich zunehmend unwohl.

Irgendwann fielen mir ganz weit unten, in den Abgründen der Parfumseiten, da, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, die Parfumfotos auf. Nicht ganz sicher, welchen Sinn sie erfüllten, bewegte mich eine tollkühne Laune aus Langeweile und Mut dazu, eines Nachmittags wie im Vorbeigehen selbst ein Bild hochzuladen. Ein spontanes Experiment, bei dem die Kamera auch mal wieder zum Einsatz kam. Das Unterfangen schien einigermaßen sicher, da ich glaubte, dass eh niemand die Fotos wahrnahm (was ja auch irgendwie stimmt) und ich damit nicht viel kaputt machen konnte. Ich war verwundert, dass mein Foto bemerkt und mit wohlwollenden Reaktionen gespickt wurde. Motiviert knipste ich alles, was meine Lagerhallen hergaben und war plötzlich mittendrin. Ich redete mir ein, dass die Fotos ja auch eine Art Parfumbeschreibung wären und meinen Blick auf den jeweiligen Duft spiegelten.

Hand aufs Herz – ein Foto, das wirklich vollumfänglich den gesamten Duft und nicht nur seine Hülle zeigt, das ist ungefähr so schwer, wie heutzutage Mystic Love eingeschweißt für 15 EUR bei Edeka zu bekommen. Aber bei der Verpackung (= dem Flakon) haben sich die Macher ja hoffentlich auch etwas gedacht, wollten dem Duft ein Gesicht geben – also warum nicht dort anknüpfen. Ich greife ja auch lieber zum wertigen Flakon, als zum trüben Plastikzerstäuber.

Fotos. Fotos. Fotos. Die Souklust flachte erfreulicherweise ab und mein Parfumodasein hatte plötzlich einen Sinn: Ich leistete eine Art „Beitrag“ und hatte ein Plätzchen in einer kleinen Randgruppe, den Parfumfotoleuten, gefunden. Dabei gehörte ich einer besonders seltenen Gattung an – der, der reinen Parfumfotoparfuma – was aber niemanden zu stören schien. Nische in der Nische. Oder so ähnlich.

Nachdem ich mir dann noch erfolgreich bei einer netten Parfuma Taschenzerstäuber besorgt hatte, fühlte ich mich fürs Erste angekommen.

Bin ich jetzt Parfumfotografin? Zwischen Leidenschaft und Obsession.

Du fotografierst Parfums. Du bist Parfumfotografin, sagt meine Freundin. Fotografin ist ein Beruf, sage ich. Und irgendwie ist es doch mehr als ein Hobby, denke ich manchmal. Ich bin besessen von Parfumfotos. „Irgendwas“ fotografieren war mir immer etwas zu frei. Ich bin ein Mensch, der tief eintauchen will, wenn er etwas tut. Alles dort hineingibt. Die kleinen Flakons lassen das unbegrenzt lange und ohne Gegenwehr über sich ergehen und mit ihnen ist eine Art Mini-Projektablauf entstanden, mit einem handfesten Ziel: Parfum. Foto. Dazwischen Neugier, Herzblut und Zufall. So einfach.

Also laufe ich durch die Welt und denke, wo ich gehe und stehe, darüber nach, welchen Flakon man an dieser oder jener Stelle wohl wie fotografieren könnte.

Die Suche nach dem richtigen Platz und der passenden Stimmung ist für mich eigentlich das Aufregendste dabei. Habe ich mir einen Ort ausgeguckt, kann ich es kaum erwarten, den Rucksack zu schnüren und zu entdecken, was dort passiert. Der Haushalt kann warten.

Die Kulissen, die im Vorfeld am banalsten wirken, machen dann natürlich meist den größten Ärger. Oft genug stolpert man andersherum aber auch ungeplant in Szenarien hinein, wo schlichtweg alles passt (unfassbar – der Zaun sieht ja exakt so aus, wie der Flakondeckel!). Das Gefühl, wenn eine Umgebung nahezu symbiotisch mit dem Flakon wirkt, in Kombination mit der (für mich) richtigen Atmosphäre – unbezahlbar. Wie ein großes Rätsel lösen. Wie guter Sex. Wie Träumen. Diagnose: Parfumfotosüchtig.

Die Fotos wurden zu einem Teil von mir, auch wenn ich bis heute häufig Selbstzweifel habe (ein echter Fotograf hätte hier VIEL mehr rausgeholt...). Immerhin, ich fühlte mich mit der neuen Kamera langsam sicherer und entwickelte Vorlieben im Bildaufbau (sprich mit mir, Flakon!). Bald schon befand ich mich im lodernden Dauerfoto-Betrieb, wie eine verrückte Flakonpaparazza, die nicht zu stoppen war. Ich jagte mit dem Fahrrad Schiffen hinterher, stand knietief in Sümpfen, nötigte Freunde, pausenlos Rauch oder Seifenblasen auf Flakons zu pusten. Ich weiß noch, wie ich zwei Damen, die zurückgezogen und nudistisch ein Sonnenbad am Rhein hielten, fragte, ob ich ein paar Flakonbilder machen dürfe und dabei beschwor, dass ihr Busen auch auf keinen Fall auf den Fotos auftauchen würde. Einfach nur, weil dort der schönste Sandabschnitt war. Skeptische Blicke von Mitbürgern prallten selbst in Gotteshäusern an mir ab, war ich doch auch irgendwie „im Auftrag des Herrn unterwegs“. Ich mochte den Prozess aus Planen, unerschöpflichem Ausprobieren, geschehen lassen und detailverliebtem, letzten Schliff. Schwer fiel mir oft die Auswahl des richtigen Fotos, da ich, um aus einer Vielfalt an Motiven zu lernen, meist mit 100 – 300 Aufnahmen pro Flakon nach Hause kam und vor Bäumen schnell den Wald nicht mehr sah. Meist habe ich nach Stunden des Aussortierens dann aber doch noch „das eine Bild (oder die einen drei ;-))“ gefunden.

Auf der technischen Seite bin ich nach wie vor ziemlich nachlässig. Learning by doing denke ich und hole natürlich bei weitem nicht alles aus meiner Ausrüstung heraus. Wie oft bin ich vom Fotografieren nach Hause gekommen, habe bemerkt, dass ein fetter Fingerpatscher auf dem Flakon war und ärgerte mich, immer noch nicht das Bildbearbeitungsprogramm zu beherrschen, das sowas beseitigt bzw. zu faul gewesen zu sein, Handschuhe zu tragen. Dann eben nochmal losstiefeln. Und, wenn es sein musste, halt nochmal. Und, falls es die Situation unbedingt erforderte, nochmal. Selbst, wenn ich so großartig „basteln“ könnte, wie manche Photoshop-Zaub(e)rerInnen hier, ich wäre damit letztlich total überfordert. Ich mag den echten Moment - das ist der Zauber, der mich lebendig werden lässt.

Ende Januar 2019 hat es angefangen mit den ersten Bildern. Seitdem ist (Überraschung), kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht wenigstens kurz über die Parfumfotos nachgedacht habe. In meiner Mittagspause sitze ich oft vor den Bildern und kann mich nur schwer losreißen. Nachts träume ich gelegentlich davon. Neulich hat mich der Hund um halb sechs (also mitten in der Nacht!) geweckt. Um sechs Uhr fand ich mich mit einem Vegano Flakon in der Tasche mitten in einem Salatfeld wieder. Ich habe mich trotz großer Höhenangst bei einer Dachführung am Kölner Dom angemeldet, weil ich finde, dass Tauers No. 2 es einfach verdient hat, vor dem bunten Gerhard Richter Fenster geshootet zu werden. Ich bin mit zittrigen Knien in eine Folterkammer gegangen, um zu schauen, ob man dort eines Tages wohl einmal Enslaved (noch auf meiner WL) ablichten könnte und trieb mich bis spät nachts auf einsamen Baustellen herum. Ich sitze zum Sichten der Bilder mehr Stunden vor dem Rechner, als zu Zeiten, in denen ich noch einen Fulltimejob hatte. Auch wenn ich meine Bilder selbst gern mag, manche vielleicht sogar liebe, so steht der Aufwand mit dem Ergebnis oft nicht mehr im Verhältnis. Ich weiß, dass viele hier mit deutlich weniger Aufwand ähnlich gute oder bessere Bilder machen. Diese Menschen schreiben vermutlich auch straffe und schnell lesbare Blogtexte.

Doch mein Weg ist eben mein Weg. Er bringt mir Glückseligkeit, auch oder gerade, weil er exzessiv ist.

Die Anstrengung zwischen mir und den Fotos ist dabei das eine. Diese Reibung fühlt sich erfüllend an. Mal leichtfüßiges Balzspiel. Mal schweißtreibender Ringkampf, der nicht selten in der totalen Erschöpfung mündet, damit es endlich still werden kann. Doch es gibt noch eine andere Art von Anstrengung.


Soziales Netzwerk. Bewerten. Bedanken.

So sehr ich auf den Fototouren lernte, andere Menschen und deren Gedanken um mich herum auszublenden, so wenig ist es mir nach dem Hochladen der Bilder auf Parfumo geglückt, frei von der Meinung anderer zu sein.

Dabei ist das so schade, denn hier hatte ich das Gefühl, von einer handvoll ähnlich oder anders Verrückter im Flakonfotofieber umgeben zu sein, die es zumindest nicht unnormal finden, dass man das überhaupt tut. Ich fühlte mich gesehen und freute mich über Zuspruch, während mein privates Umfeld meist nur gelangweilt gähnte oder kopfschüttelnd schmunzelte, wenn ich von meiner glühenden Leidenschaft erzählte. Niemanden im „echten Leben“ interessierten die Bilder wirklich. Vielleicht auch, weil sie zu Lasten gemeinsamer Zeit gingen.

Ich finde FotografInnen zeigen etwas sehr Intimes von sich, geben Persönlichkeit preis mit der Art, wie sie etwas darstellen. Ich stehe auf Ideen, Geschichten und Handschriften und bin regelmäßig überwältigt beim Spaziergang durch die Galerie, schaue genauso gerne Fotos, wie ich selbst welche erstelle. Häufig überkommt mich das Bedürfnis, etwas dazu zu sagen, zu signalisieren, dass mich ein Foto erreicht hat. Gedanken, Bilder, Gefühle purzeln aus mir heraus und folgen keiner Regel. Manchmal finde ich auch ein Bild gut, kann aber gar nicht greifen, warum.

Als ich aus Lust und Laune mein erstes Bild kommentierte, trudelte plötzlich eine Danksagung auf meiner Pinnwand ein. Ich fand das ein bisschen irritierend. Musste ich mich womöglich nun wieder für die Bedankung bedanken?

Auch wenn es sich etwas fremd anfühlte, machte ich mit beim „Bedanken“. Ich wollte ja auch irgendwie „nett“ sein. Mit meinem Anspruch, persönlich auf die Kommentare der Leute einzugehen, kam ich aber bald ins Schleudern. Wer hatte nochmal was geschrieben? Hatte ich mich dafür schon bedankt oder hatte ich jemanden vergessen? Und: War das da überhaupt ein Kompliment oder fiel das einfach nur unter „banale Anmerkung“ und stand gar nicht im Verhältnis zu drei Zeilen Danksagungshymne?

Das Ausmaß an Aktivität auf der Plattform, was ich bei anderen beobachtete, ließ mich häufig an meinem eigenen Tempo zweifeln. Ich bin l a n g s a m. Empfinde Dinge leichter als anstrengend, als andere. Niemand hier kann etwas dafür, dass ich die Dinge empfinde, wie ich sie empfinde oder bin wie ich bin. Nicht mal ich selbst.

Als ich aus Überforderung anfing, die Dankestextchen zu kopieren, passierte, was passieren musste: Ich hatte vergessen, den Namen der Person in der Anrede auszutauschen – ein herrlich peinliches Schlüsselerlebnis, bei dem ich schallend über mich und meinen Mitläufergeist lachen musste. Auch andere User schienen ihre liebe Mühe mit der Prozedur zu haben und bedankten sich teilweise bei mir, obwohl ich ihnen gar nichts hinterlassen hatte. Oder bedankten sich doppelt und dreifach für ein und dieselbe Bemerkung. Ich fand das irgendwie schräg und beschloss, mich nur noch direkt unter meinen Bildern bei allen gleichzeitig für die Besuche zu bedanken oder eben, wenn es sich zufällig im direkten Kontakt ergab.

Fotos machen. Fotos schauen. Rauslassen, was kommt. Wenn nichts kommt, Klappe halten. Ich finde, wenn das so ist, dann ist alles gut. Dann gibt es keinen Grund, sich zu bedanken und der Kreislauf ist an dieser Stelle geschlossen. Weil alles weitere in mir Erwartungen, Pflichtgefühl und Anpassungsbedürfnis nährt. Aber verstanden das die Anderen? Oder hatten sie stille Erwartungen an mich?

Die Unsicherheit, die das Bedank-Thema mit sich brachte, die Angst vor den Erwartungen der Anderen, aber auch die schamhafte Sorge, ein bisschen zu nerven mit meinen Bildern, hemmten mich, immer alle Fotoprojekte abzuschließen (auf Parfumo hochzuladen), so dass sich bis heute etliche Fotos auf meinem Rechner stapeln. Auch die Befürchtung, dass ein geliebtes Bild vielleicht für mich selbst an Wert verlieren könnte, weil ich es nicht schaffte, unbeeindruckt zu bleiben von einem vermeintlich schlechten oder mittelmäßigen Feedback (durch Pokale zählbar gemachte Zuneigung...) oder gar der Ablehnung des Bildes durch die Fotojury, sowie die Tatsache, dass das gesamte Thema irgendwie zu viel Raum in mir eingenommen hatte, während sich in der Spüle das Geschirr stapelte, brachte mich dazu, eine Pause einzulegen.

Ein Leben ohne Parfumfotos ist möglich, aber sinnlos.

Ich weiß nicht, ob ich das immer so sehen werde. Ich neige dazu, mich selbst aus meinen eigenen Gefangenschaften befreien zu wollen. Das Bildermachen mit Flakons (der Prozess: die Suche nach dem richtigen Platz, den richtigen Bedingungen...) macht mir nach wie vor großen Spaß. Momentan fühlt sich ein Foto ohne Flakon nackt an. Ein Projekt ist abgeschlossen, wenn das Foto hochgeladen ist.

Ich möchte weiterhin Bilder hochladen und versuchen, mir selbst die Berechtigung zu geben, dass die Bilder da sein dürfen, egal was Drumherum passiert. Ich werde mich über Kommentare und Auszeichnungen freuen, aber versuchen, nicht abhängig davon zu sein. Ich werde mich dafür nicht zwangsläufig bedanken, eben so, wie ich es kann. Ich möchte für mich innere Sicherheit finden und lernen, dass Bestätigung von außen mir in Wirklichkeit nicht hilft, sondern die eigenen Zweifler bloß kurz verstummen lässt. Folgerichtig wäre vielleicht, die Auszeichnungen abzustellen oder sich komplett rauszunehmen. Aber Unsicherheit und Konflikt wären nur unterdrückt oder verlagert. Ich muss das Problem von innen lösen.

Ich freue mich weiterhin, die Fotos anderer anzuschauen und auszuzeichnen. Aber ich werde versuchen, noch freier darin zu sein. Wenn ich etwas auszeichne und erst ein paar Tage später kommentiere, dann möchte ich vermeiden, mich dafür zu erklären. Wenn ich kommentiere und der Button die Auszeichnung nicht nimmt, würde ich mir wünschen, nicht darauf angesprochen werden. Ich möchte einfach noch mehr lernen, meiner eigenen Wahrnehmung zu vertrauen, auch wenn ich diese Wahrnehmung allein habe.

Und während ich das alles schreibe, merke ich, wie sich ein Gefühl von Leichtigkeit in mir breit macht, ich denke „Ach, alles halb so wild“ und mich freue, ein kleiner Teil von Parfumo zu sein. Und wer weiß, vielleicht entdecke ich ja eines Tages doch noch das Kommentieren von Düften für mich. Ich hätte schließlich auch nicht gedacht, dass ich mal einen Blogeintrag schreiben werde.

Die Wahrnehmung ist offenbar auch ein Prozess. Sie ist immer in Bewegung. Und wenn man sie festhalten will, dann macht man einfach ein Foto.

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