Pollita
Hühnergegacker
vor 4 Jahren - 25.06.2021
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Abgekupfert – bewusst oder unbewusst?


Ein Thread im Forum veranlasste mich dazu, über dieses Thema etwas intensiver nachzudenken. Es ging um Roja Dove und die Ähnlichkeit einiger seiner Düfte zu großen Klassikern aus dem Hause Guerlain. Insbesondere interessant fand ich die Antwort von Ronin, der bei Guerlain sogar noch einen Schritt weiter ging und Beispiele von Coty-Düften aufzählte, von denen sich die Nasen im Hause Guerlain möglichweise haben inspirieren lassen, als sie Düfte wie Mitsouko Eau de Toilette oder L'Heure Bleue Eau de Toilette schufen.

Ich selbst bin gewiss kein großer Roja-Anhänger. Das liegt bei mir jetzt weniger an den Preisen. Wenn ich einen Duft unbedingt haben will, dann kaufe ich ihn. Auch wenn es mal sehr teuer werden sollte. Herrn Doves Kreationen treffen einfach weniger meinen Geschmack und daher besitze ich keinen seiner wunderschönen Flakons. Dennoch ist mir aufgefallen, dass es in seinem Produktportfolio durchaus Ähnlichkeiten zum einen oder anderen Guerlain-Duft gibt, wenn es auch, und da glaube und vertraue ich dem geschätzten Kollegen Cravache, der so einige Rojas sein eigen nennt und gut kennt, mittlere bis größere Unterschiede bei den Duftkonzentrationen gibt. Da ein Duft wie Héritage Eau de Toilette für mich zwar sehr angenehm ist, ich allerdings niemals erwägen würde, ihn besitzen zu wollen, fallen mir persönlich die Ähnlichkeiten zu einem Danger pour Homme Eau de Parfum von Roja (Achtung: Nicht das Parfum!), umso stärker auf. Aber ein Liebhaber exakt dieser Duftrichtung würde wohl definitiv Unterschiede herausriechen, die ich jetzt nicht zu identifizieren vermag.

Ich selbst ertappe mich ja immer wieder dabei, mir Düfte zu kaufen, die sehr nahe an meinen Lieblingen aus der Jugend sind. Warum liebe ich denn Düfte wie Macadam oder Safanad ? Weil sie meinen damals heißgeliebten Traumdüften Cašmir Eau de Parfum und Classique Eau de Toilette sehr, sehr ähnlich sind. Das ist eine Duftrichtung, in der ich mich zu Hause fühle und da ist es mir völlig egal, wer da von wem abgekupfert hat und was zuerst da war. Das Huhn oder das Ei? Egal, Polly nimmt sicherheitshalber mal beide. So hat man schließlich mehr vom Huhn. Und vom Ei.

Dennoch beschäftigt mich, insbesondere hier, schon hin und wieder die Frage, ob bei diesen Düften bewusst abgekupfert wurde, also Cašmir Eau de Parfum und Classique Eau de Toilette klar die Vorbilder für diese doch deutlich hochpreisigeren Nischendüfte waren, oder ob es schlicht Zufall ist. Warum ähnelt etwa Profumum Romas Confetto , den ich auch vergöttere, dem langjährigen Dior-Klassiker Hypnotic Poison Eau de Toilette so sehr? Volle Absicht oder Zufall?

Echte Duftzwillinge gibt es ja bekanntlich nicht, da waren wir uns ja größtenteils einig. Aber wie schaut das hier aus? Holen sich die Nasen gezielt Inspiration und wollen bewusst einen Duft schaffen, der diesem einen Klassiker ähnelt, oder kommt einfach ein ähnlicher Duft am Ende heraus, da der Parfumeur bestimmte Duftrichtungen eben auch sehr gerne mag, so wie ich das tue?

34 Antworten
TablaTabla vor 4 Jahren
Sehr gute Fragen, zu einem alten Thema. Ich beobachte diese Phänomen schon so lange. Ich denke nicht, dass sie Düfte bewusst abgekupfern. Die Parfumeure folgen vermutlich nur dem Zeitgeist, auch wg der Verkaufe. Ist einmal was ganz Neues gut lanciert worden, folgen viele Parfums mit einer ähnlichen DNA. Am deutlichsten bemerkte ich es, als 1992 L'Eau d'Issey von Issey Miyake auf den Markt kam. Dieser besondere Aquat zog später bis in die Drogerien, viele ähnliche Duftkreationen nach sich.
GuerlinchenGuerlinchen vor 4 Jahren
Hmm, also ich denke mit Parfum verhält es sich ähnlich wie mit Musik?! Es stehen eine bestimmte Anzahl von Noten zur Verfügung und dann wird daraus komponiert. Das es Ähnlichkeiten gibt, liegt eventuell in der Natur der Sache und jeder nimmt es auch anders wahr. Aber ob es so einige "Halunken" gibt, die an einen Top Hit anknüpfen wollen --- ja ganz bestimmt. Aber egal - Hauptsache, der "Sound" geht in´s Blut...
AndrulaAndrula vor 4 Jahren
Sehr interessante und mir vertraute Gedanken .. ich neige dazu , Vintage Düfte zu kaufen .. viele erinnern mich an richtig gute Studentenzeiten - sind die nicht mehr zu bekommen oder astronomisch teuer suche ich nach Ähnlichem ..aber erst seitdem ich hier bin interessiere ich mich auch für Entstehungszeiten .. allerdings haben etliche besonders gute Parfumeure für verschiedene Häuser gearbeitet und möglicherweise so auch Dufthandschriften hinterlassen ..
BirdeeBirdee vor 4 Jahren
All die Remakes in der Filmindustrie haben den Grund, dass es sicherer ist, eine schon als gut und erfolgreich erwiesene Story neu aufzulegen, als auf ein komplett neues Drehbuch zu setzen, das - als fertiger Film - unter Umständen überhaupt nicht funktioniert. Das Risiko einen Flop zu produzieren ist gerade auf diesen hart umkämpften Märkten sehr hoch. Zusätzlich bleibt es bei der schieren Fülle der Neuerscheinungen nicht aus, Altbekanntes wiederzufinden, sei es bei Parfum, Film, Musik etc..
GandixGandix vor 4 Jahren
Ich denke auch, es ist ein sowohl, als auch... Von 'an den Erfolg anlehnen, über Inspiration, wie das persönliche Gefallen. Und auch die Tatsache, dass es nicht unbegrenzt Duftnoten gibt und Menschen zu gewissen Zeiten Bestimmte bevorzugen mag ein e Rolle spielen.
Can777Can777 vor 4 Jahren
Ein sehr interessanter Blog! Ich bin mit meiner Antwort da auch ganz bei Ergo!
FabistinktFabistinkt vor 4 Jahren
Oft werden ja bewusst Neuinterpretationen von Klassikern gemacht, damit sich Parfumeure künstlerisch austoben und alte Konzepte für neue Nasen übersetzten können. Frederic Malle hat da ein paar schöne Beispiele, Iris Poudre, Noir Epices, etc. Beim Rest ist es wohl wie sonst auch: Wenn etwas funktioniert, schaut man, wie man etwas ähnliches selbst hinbekommt. Bei offen kommunizierten Kopien wird es für meinen Geschmack aber zu dreist und es grenzt an Diebstahl.
L1ndaL1nda vor 4 Jahren
Ich denke bei Parfum ist es wie bei Mode oder Musik. Alles schon mal irgendwie da gewesen in der ein oder anderen Konstellation. Was völlig neues muss es ja auch nicht immer sein, gewisse Sachen, sei es nun die Schlaghose und die Plateau-Schuhe oder Liquidos Narcotic Song, es wurde ja mal für sehr gut befunden, also sollte man es (wenn auch leicht verändert) doch nochmal bringen können. Ob man das dann mag oder nicht mag ist ja jedem selbst überlassen. :-)
TurbobeanTurbobean vor 4 Jahren
Polly, mir gehts wie Dir: Ich habe keine Roja-Düfte (hatte aber schon welche), aber wenn es passen würde, wäre der Preis eher nebensächlich (ich würde halt ggf. ansparen).
Aber eines kann ich sagen: Bei einigen Roja-Düften, die ich getestet habe, war mein erster Gedanke: "Kennste doch irgendwo her".
GoldGold vor 4 Jahren
Roja hat jahrelang für Guerlain gearbeitet. Es war wohl eines seiner Ziele, Parfums zu schaffen, die die Guerlain-Tradition weiterschreiben. Ob ihm das gelungen ist, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Seine Version von Mitsouko, Diaghilev, empfinde ich allerdings als sehr gelungen. Dennoch würde ich den hohen Preis für den Roja - Duft nicht bezahlen. Um die 600 € - that's too much for me.
SchrippeSchrippe vor 4 Jahren
Wenn ich auch vieles von dem, was Du schreibst, für mich durchaus nachvollziehen kann, sehe ich bei den oben genannten Düften Confetto/ Hypnotic Poison keine Ähnlichkeit.
MadameLegrasMadameLegras vor 4 Jahren
Schwieriges Thema. Wo hört das Abkupfern auf und wo fängt die durch Inspiration ausgelöste Kreativität an? Ich sehe es ähnlich wie Precious. Letztlich beurteile ich den Duft mit meiner Nase und das "Woher" oder "Wer war der erste" ist für mich zweitrangig.
TofuwachtelTofuwachtel vor 4 Jahren
Bei manch heutigem Duft ist die Spur zu einem Vintage gezeichnet. Das finde ich immer sehr interessant. Vieles wiederholt sich, wird verändert, überschneidet sich. Oder wird kopiert. - Inspiration, Kreativität, Zeitgeist und sicherlich auch der zu erwartende schnelle Euro .......
AsaselloAsasello vor 4 Jahren
.. die Zeilen ausgehen... nein ;-)
, dass irgendwann im Kopf alles so mit einander verwoben ist, dass man mehr oder weniger auch unbewusst Anleihen bei berühmten Vorbildern nimmt.
Ein schöner Beitrag, übrigens!
AsaselloAsasello vor 4 Jahren
Ich denke, es ist ein bisschen von beidem, um auf Deine Fragen zu antworten. Mit scheint, das ist in fast allen Bereichen so, die mit schöpferischer Tätigkeit verbunden sind. In der Musik, der Literatur und auch in der Malerei, die ja bekannt dafür ist, dass sich bestimmte Sujets über Jahrhunderte durch verschiedene Werke ziehen. Teils will man ein erfolgreiches Original bewusst kopieren, ihm aber eine eigene Deutung geben, teils beschäftigt man sich so viel mit der Materie, dass irgendwann...
LeonaSternLeonaStern vor 4 Jahren
Ich schließe mich der Meinung von Taurus an. Sprechen wir doch lieber von Inspiration.
NikkitasNikkitas vor 4 Jahren
Für mich anregende Gedanken, genau richtig für das beginnende Wochenende. Jetzt muss ich nur noch den besprochenen Thread auch finden. Kunst und Künstler Werk und Kopie sind in der Tat ein weites Feld und auch im Bereich Perfum wird sich vieles glänzend aber nicht golden erweisen. Und umgekehrt. Ähnlichkeit kann sowohl Raub als auch Hommage darstellen, hier macht der Ton die Musik...
BastianBastian vor 4 Jahren
Feiner und gleichzeitig schwieriger Blog. Da die passende Antwort zu finden ist nicht ganz einfach. Die Dua Düfte kopieren ja und stehen auch öffentlich auf ihrer Seite dazu.
Roja/ Guerlain /Creed....
Haben die das nötig???
Ich glaube nicht. Aber sicher sagen kann ich es nicht.
Das einzige wo ich mir zu 100% sicher bin,
Das die Liebe Polly das Ei und das Huhn mitnimmt. :-))
KovexKovex vor 4 Jahren
Ich glaube, dass Künstler sich gegenseitig inspirieren (in jeder Kunstrichtung) und es gewiss auch unter den Künstlern große Unterschiede gibt hinsichtlich des Willens, was wahrhaft Eigenständiges zu schaffen oder nur auf einen Zug auf zu springen. Es wird also alles möglich sein...
ExUserExUser vor 4 Jahren
Wer bei wem abgeguckt hat, habe ich mich auch nicht zum ersten Mal gefragt. Aber ich glaube einfach, beim kreativen Arbeiten ist es normal, dass sich viele Dinge überschneiden. Es gibt ja nun auch nicht unendlich ausschöpfbare Duftkombinationen. Man wird immer mal wieder Ähnlichkeiten sehen.
MonsieurTestMonsieurTest vor 4 Jahren
Spannendes Thema!
Bei der Masse neuer Düfte gibt es gewiss alles: Abklatsch, Nachahmung, Hommage, Variation, Verwässerung und Verbesserung...
AzuraAzura vor 4 Jahren
Das, was etwa Roja oft tut, ist so etwas, wie sich mit Kunstwerken auseinanderzusetzen und sie weiterzudenken (auch von Bach oder Mozart etwa wurden viele spätere inspiriert, die sich mit ihnen ganz ähnlich befassten...).
Kleine Anmerkung zu Confetto/Hypnotic Poison: Confetto war zuerst da. Dior ließ sich"inspirieren" ;-)
RoninRonin vor 4 Jahren
(...) Hier vielleicht noch zwei inspirierende Links: https://www.parfumo.de/forum/viewtopic.php?t=5931 und https://www.parfumo.de/Benutzer/Louce/Blog/Eintrag/Intertextualitt_in_der_Parfumerie_2
PreciousPrecious vor 4 Jahren
Künstler inspirieren u. inspirierten sich schon immer gegenseitig. Das ist in der Mode so und in der Malerei, der Musik und auch unter den Filmemachern nicht anders. Ich finde das auch ganz legitim u. verständlich. Dazwischen gibt es immer wieder Innovationen, die dann auch wieder abgekupfert werden. Etwas nachzumachen, ist die höchste Form der Anerkennung.
RoninRonin vor 4 Jahren
Um auf die Überschrift einzugehen: "Bewusst": das gibt es sehr, sehr oft in der Parfumerie. Die Formeln sind ja ungeschützt und dank der aktuellen Analytikmethoden nicht geheim zu halten. Aber der Begriff "abgekupfert" stört mich etwas, da es gleich eine Wertung beinhaltet. Das Zitat eines "Vorbildes" kann ein "Abkupfern" sein, wenn dies ohne eigene kreative Leistung passiert. Aber, wie ich im Thread erläuterte, kann es jetzt im Gegenteil zu etwas ganz tollem, Neuen führen. (...)
PonticusPonticus vor 4 Jahren
Wenn das Parfüm richtig toll ist, ist es mir doch recht egal, wer und ob jemand von einem anderen abkupfert, Hauptsache es hat sich gelohnt! Ansonsten orientiere ich mich schon an den eher traditionellen Häusern und deren kreativen Köpfen!
SchatzSucherSchatzSucher vor 4 Jahren
Ich setze mich mal zum Kollegen Ergoproxy. Wenn ein Dufthaus mit seinen Kreationen erfolgreich ist, gibt es immer welche, die sich an diese Werke anlehnen.
Das reicht von Inspiration bis hin zu dreistem Kopieren. Aber da gibt es ja viele Bereiche, in denen das praktiziert wird.
ivkoivko vor 4 Jahren
Bin auch bei "Inspiration" oder "Hommage", nennen wir es einfach mal so, will doch jeder was vom Kuchen ab... ;)
PatpowPatpow vor 4 Jahren
Gute Frage - 'Dupe-Ismus' ist in der Parfumindustrie (nicht zuletzt bei Nischenhäusern) evtl. viel verbreiteter als es zunächst scheint: Zumal gerne eine gewisse kreative Selbstständigkeit unterstellt wird. Roja ist da ein sehr gutes Beispiel (aber auch Xerjoff u.a.). Es gibt in vielen Bereichen - Kunst, Musik, Mode, Literatur - Rezepte (Motive, Klangfolgen, Stoffe und Genre), die besonders geschätzt sind, sich gut verkaufen und das wird endlos kopiert, variiert, permutiert. That's life.
SalvaSalva vor 4 Jahren
Guerlain ist ja eig. mein persönliches Lieblingshaus, aber von Roja kenne ich keinen einzigen Duft, daher kann ich das nicht beurteilen. Die Marke reizt mich aber auch ehrlich gesagt nicht, da v.a. die Preise mich abschrecken.
Sicher schauen Hersteller, Parfumeure etc. bei anderen mal ab, aber sowas ist ja Usus in vielen Branchen.
MikadomannMikadomann vor 4 Jahren
Das ist ein interessanter Gedanke. Selbstverständlich gibt es darauf keine Antwort. Für mich tut sich da ein Feld von Begriffen auf, die diese Fragestellung vielleicht flankieren:
Plagiat - Epigone - Inspiration - Bearbeitung - Variation
Es gibt sicher noch mehr solcher Begriffe. Sie würden sozusagen den Rahmen bilden für das, was Du beschreibst.
CravacheCravache vor 4 Jahren
Wir Parfumas/os sind doch Duftnuancen-Fetischisten. Ist nicht Confetto ein perfektioniertes HP? Es gibt ja auch Parfumeure, die ihre Düfte als ihre Interpretation/Verbesserung/whatever eines "Ausgangs-"Dufts kennzeichnen. Für meine einfache eidgenössische Nase sind verschiedene Roja-Düfte eine bis ins Maximum getriebene Perfektion eines bekannten Dutbildes oder Duftthemas (das man mag oder auch nicht). So wie unsere kluge und charmante Polly das Huhn der Hühner ist :)
TaurusTaurus vor 4 Jahren
Das ist eine interessante Frage. Vom klassischischen Abkupfern spricht man ja eher dann, wenn das kopierte Produkt das gleiche oder gar weniger kosten soll. In diesem Fall würde wohl niemand mehr zahlen, wenn er eine ähnliche oder gleiche Qualität günstiger bekommen kann. Ich denke, das Zauberwort heißt "Inspiration" oder "Hommage" ... darunter ist ja alles möglich ;-)
ErgoproxyErgoproxy vor 4 Jahren
Das Meiste was Parfumeure wohl kreieren sind wohl Auftragsarbeiten und da gibt es bestimmt viele, die gerne ebenfalls einen Duft wie der Verkaufsschlager XYZ haben wollen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es spannend ist, einen Duft in seine Bestandteile zu zerlegen und ihn dann eventuell sogar mit anderen Noten zu Verändern oder gar zu verbessern. Ich denke da greifen alle Optionen die Du aufgeführt hast.

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