Pollita
Hühnergegacker
vor 4 Jahren - 20.05.2020
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Weniger ist mehr…

…musste ich kürzlich mal wieder feststellen. Da traf ich auf ein Pärchen, er schon ordentlich beduftet in einer Oud-Wolke schwebend und dann setzte sie, die später kam, mit einer olfaktorischen „La Vie Est Belle“-Keule noch einen drauf. Bei ihm war die Dosis stark aber soweit noch OK. Bei ihr hingegen habe ich hin- und wieder darüber nachgedacht, wohin ich denn jetzt flüchten könnte. Leider blieb mir dieser Wunsch verwehrt. Und das bei einer grundsympathischen und intelligenten Person, die durch ihre Monstersillage allerdings dann doch ein bisschen negativ bei mir auffiel.

Mal ehrlich. Muss es immer gleich so viel des Guten sein? Ich stelle das immer wieder fest und frage mich, was die lieben Leute eigentlich damit bezwecken wollen? Bei allzu extremen optischen oder akustischen Reizen können wir Menschen die Augen schließen oder uns die Ohren zuhalten. Bei olfaktorischen Über-Wummsern haben wir allerdings keinerlei Chance, diesen zu entfliehen. Wir müssen sie geduldig ertragen, ob sie uns gefallen oder nicht. Das ist, als ob ich das Pech habe, genau in dem Moment eine Toilette aufzusuchen, nachdem jemand anderes zuvor ein großes Geschäft verrichtet hat. Auch nicht schön, aber da kann ich nach ein paar Minuten ja auch wieder rausgehen. Sitze ich hingegen mit so einer Duftgranate in einem Großraumbüro, in einem Bus oder in einem Restaurant, da hab ich schlichtweg keine Chance. OK, jetzt kommt bestimmt wieder der Corona-Einwand von wegen Mindestabstand. Ich rede von Sillagen, die ganze Räume füllen. Da könnte ich zehn oder mehr Meter Abstand halten und es wäre kein bisschen angenehmer für mein Riechorgan.

Wenn zu mir jemand sagt „Hmm, Dein Parfum duftet gut“ und er hat mich nicht zuvor umarmt (was ja zurzeit auch verboten ist), sondern steht stattdessen mehrere Meter von mir entfernt, dann denke ich im Gegenzug meistens, „Oh sh**, das war viel zu viel heute. Mist!“

Ich frage mich, warum machen die Leute das? Wollen Sie

  • einen anderen, penetranten Geruch überdecken? Haben sie Mundgeruch, Achselschweiß, Käsefüße oder zu viel Knoblauch gegessen? Oder noch schlimmer: Eine Alkoholfahne, die nicht auffallen soll?
  • ihr Revier markieren? Jaja, soweit sind wir vom Tierreich nicht entfernt. Ich denke immer gerne an meine frühere Firma zurück. Da haben es die Firmenchefs geschafft, sich gegenseitig mit der Sillage ihres Tagesdufts zu übertrumpfen. Ich dachte dabei oft an Hunde, die das Beinchen heben, um ja sicherzustellen, dass jede andere Spezies auch mitkriegt, dass SIE da waren.
  • Komplimente? Ja, die gibt es. Aber hier gibt es Interpretationsspielraum, den man auf dem Schirm haben sollte. Im den meisten Fällen bedeutet eine direkte Ansprache zum Parfum am ehesten „Oh mein Gott, hast Du es heute wieder übertrieben.“
  • Panties droppen? Ehrlich, ich habe noch keine weibliche (oder männliche) Person gesehen, die sich die Klamotten vom Leib gerissen hat, nur weil einer in einer Wahnsinns-Duftwolke dahergekommen ist. Reaktionen, die sich oft beobachten lassen, sind hingegen das Öffnen von Fenstern und Türen. Vielleicht sollten wir dieses Dropping-Gedöns in Window-Dropping umbenennen, wäre passender.
  • von anderen Dingen ablenken? Klar, wenn einer so stark parfümiert ist, dann denken die Menschen in seiner Umgebung erstmal an nichts anderes. Dann fragt vielleicht keiner mehr nach, was der Kollege sonst so angestellt haben könnte. Diebstahl, Mord oder Totschlag könnten erstmal unentdeckt bleiben. Aber nein, der Täter lässt sich ja leicht finden. Immer der Nase nach ;)

As always, das sind nur mal wieder so ein paar Gedanken von mir. Und wenn man hier liest, wie oft Düfte mit der stärksten Performance gesucht werden, muss man sich diese Fragen zwangsweise ja stellen. Ich persönlich freue mich immer über einen dezent aufgetragenen, feinen, subtilen Duft. Falls mir so einer an jemandem auffällt, dann lächle ich, strahlend. Das ist dann mein ganz persönliches Kompliment.

Eure Pollita

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