Sniffsniff
Sniffsniffs Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 4 Jahren - 24.09.2020
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Come profuma Como?

Seit heute sitze ich wieder an der mausgrauen Ostsee. Wind und Wolken, 15 Grad, etwas Regen, buongiorno Herbst. Das wäre ja grundsätzlich kein Grund zur Klage, wenn wir denn hier oben im hohen Norden auch nur ansatzweise so etwas wie einen Sommer gehabt hätten. Aber zwei leidlich warme Wochen sind mir zu wenig. Da bilde ich gerade genug Vitamin D, um nicht sofort aus dem Frack zu springen, sobald eine kleine Laus meine Leber passiert.

Also ab nach Italien, eine Portion Sonne, Farbe und Dolce Vita tanken. Natürlich immer fein vermummt und permanent frisch desinfiziert.

Traditionell legen wir auf der Heimreise einen Zwischenstopp in Como ein. Ich liebe diese kleine Stadt, die so viel größer wirkt, als sie tatsächlich ist. Como bietet eine faszinierende Mischung aus verschwenderischer Mondänität und marodem Charme (dieses Wort sollte man sich im Como-Kontext unbedingt merken, aber dazu später mehr). Da wäre die atemberaubende, von hohen Gebirgszügen gesäumte Seekulisse, die verwinkelte Altstadt mit ihrer imposanten Stadtmauer und die üppigste Villendichte Norditaliens. Hier und dort bröckelt der Putz, aber lassen wir uns nicht von banalen Äußerlichkeiten blenden. Como verlangt nämlich einen wachen Geist. Besonders dann, wenn man sich zur Rush-Hour mit dem Auto durch die Stadt bewegt. Ich musste beherzt bremsen, um nicht auf einen Alfa aufzufahren, der gerade an der Ampel in einen abrupt stoppenden Maserati-SUV gekracht war. Porca miseria.

Als ich schließlich mit leicht lädierten Nerven einen Parkplatz ergattert hatte (siebenstellige Lottogewinne sind realistischer), war die Vorfreude immens. Ich flanierte durch die schmucken Altstadtgässchen, ließ mich hier und dort von den verführerischen Schaufenstern diverser Boutiquen (warum gibt es davon in Como 46 auf 200 Metern und in Flensburg nicht eine?) ablenken und hatte doch mein Ziel fest vor Augen: die "Profumeria Charme".

Nun ja, ich bin immer noch völlig hin und weg. Mein allererster Eindruck lässt sich am besten mit dem Wort "Reizüberflutung" beschreiben. Einem ausgewiesenen Landei wie mir passiert das zwar regelmäßig und recht schnell, aber eine Parfümerie dieser Machart dürfte selbst den urbansten Charakter beeindrucken.

Das Lädchen ist nicht besonders groß. Ich schätze die Verkaufsfläche auf maximal 50m². Alles wirkt edel, erlesen und stilvoll. Hölzerne Einbauregale mit hochwertigen Vertäfelungen schmeicheln meinem Tischlerauge. Bevor ich mich richtig sortieren kann, werde ich auch schon von einer der beiden anwesenden Damen begrüßt. Sie spricht glücklicherweise hervorragend Englisch - das ist in Italien keineswegs selbstverständlich.

Was nun folgt, ist die herzlichste, offenste und kompetenteste Beratung, die ich je in einer Parfümerie erleben durfte.

Ich kann mich nicht mehr an jede dort geführte Marke erinnern, aber ich schreibe einfach mal all jene auf, die mein Gedächtnis noch hervorzubringen vermag:

Xerjoff, Roja, Nobile 1942, Tauer, Laboratorio Olfattivo, Zeromolecole, Bulgari la Gemme, Filippo Sorcinelli, Tiziana Terenzi, Juliette has a Gun, Caron, Lubin, Kilian, Profumum Roma, Molton Brown, House of Oud, Moresque, Ars Mirabile, Perris Monte Carlo, Frederic Malle, Etro, Merchant of Venice, by Terry, Valmont, Keiko Mecheri, Maa Althahab, Arte Profumi, Mazzone, Ex Nihilo

Das ist wahrscheinlich nur die Hälfte, denn von einigen Marken hatte ich noch nie gehört und entsprechend schlecht konnte ich sie mir merken. Ein unglaublicher Überfluss auf so engem Raum. Ich fühlte mich wie in einer hochkomprimierten Paradieskapsel.

Häufig beschleicht mich in Beratungssituationen das ungute Gefühl, eine anstrengende Kundin zu sein, zu viele Düfte riechen zu wollen oder der Verkäuferin einfach nur auf die Nerven zu gehen. Meine lombardische Duftperle konnte nicht nur Gedanken lesen, sie flitze wie ein Derwisch von Regal zu Regal, zog einen Duft nach dem nächsten hervor und kombinierte anhand meiner Vorlieben immer wieder neu. Alle Flakons waren auf der Rückseite mit einem kleinen Zettel beklebt, auf dem alle Bestandteile der Duftpyramide aufgeführt wurden.

Ich hätte Stunden dort verbringen können. Aber wie es das Schicksal in meinem Fall grundsätzlich zu wollen scheint, war der zweite getestete Duft mein Volltreffer. Meine lange gesuchte und doch nie gefundene perfekte Haselnuss. Und das, obwohl der Duft keinerlei Haselnuss enthält. Kakao, Orange, Kokos und Vanille. Ein Hardcoregourmand. Aber einer der italienischen Sorte. Und wenn die Italiener etwas besonders gut können, dann sind es besonders gute Gourmands.

Meine Tüte wurde noch reichlich mit Pröbchen bestückt und völlig duftselig machte ich mich auf den Rückweg durch das Gassenlabyrinth. Vielleicht hätte ich besser auf die Pumps verzichtet. Aber Italien und so. Da will man ja schließlich nicht in seinen Stallbotten umherflanieren.

Als mich der beste aller Ehemänner (der sich derweil ein Stündchen Schlaf vor der Rückfahrt gegönnt hatte) auf dem Parkplatz empfing, wurde ich ausführlich beschnüffelt. "Oh, Haselnuss." Mehr wollte ich nicht hören, Treffer, versenkt!

Also, wenn Italien, dann unbedingt auch "Profumeria Charme" in Como.

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