Chizza
Gedankenspiele
vor 4 Jahren - 07.08.2020
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Heutige Duftrichtung: Leder


Vor Parfumo hatte ich mit Leder in Bezug auf Parfums gar nicht viel zu schaffen respektive nicht wahnsinnig viel. Gestartet bin ich mit Gucci Guilty Absolute und Leather von Acqua di Parma. Beides Düfte, die ich nicht missen möchte welche sich aber deutlich unterscheiden. Was Anlass zu diesem Blog sein soll; eine geschätzte Parfuma sagte bereits vor Monaten, ein Blog zur Ingredienz Leder wäre doch mal was da ich schließlich Düfte dieser Art schätze, vieles getestet habe und eine in meinen Augen kleine aber feine Auswahl mein Eigen nennen darf.


Sicher ist dass es unzählige Facetten gibt, analog zu anderen Duftrichtungen. Es ist auch gar nicht so einfach, hiernach zu suchen unter all den Begriffen unter welchen Lederdüfte hier firmieren: Leder, Wildleder, russisches Leder, Lederakkord, Ledernoten und und und. Kein Wunder, ist Leder letztlich per se ein Sammelbegriff; ich meine, es gibt sogar Damhirschleder. Das bedeutet für den/die interessierte/n Parfumo/a aber auch, dass die Suche nach spannenden neuen Düften einer Sisyphusarbeit gleicht. Oder einer Odyssee in Sachen Testen. Aber was für Typen von Leder gibt es eigentlich?

Jeder kennt vermutlich Tuscan Leather aus dem Hause Tom Ford. Klar. Für die einen riecht er wie eine abgebrannte Drogenkarre, für die anderen ist es - naja - einfach Safran plus Leder mit Himbeere. Aber Leder gibt es nicht erst seitdem. Oh nein, man kann weit zurückgehen und so möchte ich mich erst dem Leder des alten Schlags widmen; Ledern wie Russisch Juchten, Knize Ten oder auch Bel Ami. Alle eint ehrlich gesagt eine für manche Nase altbackene Note. Kein Wunder, die Düfte sind Jahrzehnte alt und tragen einen ganz anderen Stil in sich. Je mehr Inhaltsstoffe umso besser. Alle eint die frische Auftaktnote mit meist Bergamotte und einem einschlägigen Kräuterwerk, ob es Salbei, Rosmarin oder was auch immer ist. Das wird gerne mit Gartennelke, Geranie, Iris etc. vermengt, was in mir zwangsläufig diesen alten Flair herauf beschwört. Man muss dazu sagen, dass die Iriswurzel nicht selten zur Erzeugung des ledernen Geruchs genutzt wird. Godolphin von Parfums de Marly ist ein Beispiel hierfür.


Dieses würzig-krautige Allerlei der alten Garde trifft dann auf Leder oder einen Lederakkord. Dieser wird meist mit Birkenteeröl erzeugt, welches Klassischerweise zum Einreiben von speziell gegerbtem Leder genutzt wird, das sogenannte Juchtenleder. Sehr aromatisch intensiv und früher der Lederton der Wahl. Spannend zu beobachten, dass Anhänger dieser Leder häufig mit neueren Kreationen nicht unbedingt etwas anfangen können. Umgekehrt gilt dies ebenso. Das liegt am ganz anderen Lederduft respektive genauer an den Begleitern des Leders, denn mittlerweile setzen viele Parfumeure nicht mehr auf Kräuter und anderes aus dem Garten.


Nun ist das also heute anders. Das Gros nehmen Düfte um das Triumvirat Leder, Safran, Frucht deiner Wahl herum ein. Ehrlicherweise totgeritten. Zumal - meine bescheidene Meinung - dies keiner so auf den Punkt gebracht hat wie Tom Ford. Allen Nachahmern oder Modifikationen zum Trotz nicht umsonst ein Meilenstein. Ja, es gibt spannende Modifikationen welche gut bis hervorragend sind, keine Frage. La Yuqawam pour Homme wird gerne genannt, ich selber finde Royal Leather von Charriol sehr gelungen genau wie Cuoio von Pal Zileri, welcher mit Damhirschleder arbeitet, was intensiv nach Wild duftet und das Parfum so in eine ganz andere Richtung lotst.


So ziemlich jede Frucht habe ich bereits gesehen; Mandarine, Apfel, alles mögliche. Leider passen Früchte und Leder sehr selten, das habe ich gelernt denn häufig wird eine unnatürliche Süße kreiert. Das kann auch mit der Himbeere passieren, viele Tuscan Leather-Klone scheitern hier. Auch Ombre Leather von 2018 driftet hier ab auch wenn keine Frucht enthalten ist.

Spannend ist für mich viel mehr Immortelle plus Leder, wenngleich eher auf verlorenem Posten agierend, denn Kamilleaufguss auf Leder; das muss man mögen. Toll sind hier sicher Rhinoceros, Resist Me oder The Cobra & The Canary. Bei der Gelegenheit: Lederdüfte für Frauen kenne ich fast gar nicht aber Evody: Cuir Blanc erscheint mir als Empfehlung.

Häufig werden dann Themen aufgegriffen, welche Leder tragbar machen sollen, welche Assoziationen an feines Lederwerk evozieren. Dazu zähle ich auch Guilty Absolute, welcher den Flair eines Lederwarengeschäfts in sich trägt. Alles duftet nach edlem Hochglanzleder. Für mich der beste Designer in dieser Hinsicht. Denn was so einfach klingt, ist es nicht, da sich die Kombination aus edlem Auftreten und Authentizität plus Wohlgefallen bei Lederdüften mitunter gegenseitig aufhebt.


Gerne wird in diesem Zusammenhang eine Art Marzipannote erzeugt indem man Leder mit Bienenwachs mischt. Das Ergebnis ist der Duft von Schuhen genauer die Reminiszenz hieran. Wer nahezu täglich im Anzug plus Lederschuhen unterwegs ist, kennt das: die Schuhe benötigen Pflege. Das bedeutet Regelmäßiges Abtragen der Creme und Pflege, denn Lederhaut trocknet sonst aus respektive die Poren werden durch die Creme verstopft. Hier greift man mitunter zu Bienenwachs. Ja, das riecht gut denn es duftet gepflegt. Aber als Parfum? Muss ja jeder selber wissen, darum nenne ich einfach nur Mahon Leather von Floris und von Guerlain Cuir Intense als Referenzen.

Einen weiteren großen Block scheinen neuerdings Düfte mit Leder plus zitrischen Noten zu stellen, wozu ich aufgrund ihres limonigen Duftes auch die Zypresse zähle. Diese Kombination erfreut sich großer Beliebtheit und das kurioserweise bei den Freunden der alten Düfte. Ist es die Bergamotte? Ich weiß es nicht, finde das nur bemerkenswert. Man muss hier wohl sagen, dass das Leder von den zitrischen Noten stark umhüllt wird und dieses säuerlich-frische Element dem Leder häufig die derben Noten nimmt. Eau de Memo, der wohl einzig wirkliche Lederduft von Memo, ist sehr gut gemacht, ich würde auch Cuiron von Helmut Lang nennen wollen, welcher mich an eine Art ledernen Zitronenbisquit erinnert. Ebenso muss man wohl Royal Vintage nennen welcher die Kombination von Zypresse mit Leder sehr gut trifft. Vielleicht ein bisschen zu limonig, der geht auch als Zypressenduft durch. Rein von den Ingredienzen her müssten wir auch Colonia Leather von Acqua di Parma hinzurechnen, jedoch duftet Leather hierfür viel zu authentisch nach italienischen Ledergassen.

Eine weitere große Strömung sind für mich die massentauglichen Lederdüfte, welche vielfach alkoholisch süß daherkommen und jüngere Kundschaft in dem Glauben ansprechen, hier hätte man einen „Rockerduft“ vor sich. Das meine ich nicht despektierlich, es steht mir auch nicht zu, hierüber zu urteilen. Fakt ist, das ist Leder für jüngere Kundschaft und den Club tragbar gemacht. Vertreter sind Dark Rebel, 1881 Signature, The Dark Side oder auch Bvlgari Man Black Orient. Manceras Wild Leather würde ich hier ebenfalls einordnen wenngleich der nicht wirklich süß sondern alkoholisch auftritt.


Obwohl Tuscan Leather meine Neugier in Sachen Lederdüfte geweckt hat, ich diesen Duft in meiner Sammlung nicht mehr missen möchte, sind andere Lederdüfte meine Favoriten. Diese eint eines: Weihrauch respektive Harze beziehungsweise die Konzentration auf diese Elemente.

Oro 1920 von Bois 1920 ist so eine Referenz. Eine italienische Freundin ist der Meinung, so duften tatsächlich die Gassen in ihrer Heimat, das Label stammt aus Florenz. Ja, der Duft verarbeitet auch Himbeere und Safran. In dezentem Maß. Das ist dann irgendwo auch der Schlüssel. Warme Weihrauchharze umschmiegen das Leder, es wirkt intensiv, rauchig, zugleich anziehend warm; fantastisch.

Die andere Referenz ist für mich Anubis von Papillon Artisan Parfumes. Den Duft zeichnet eine würzige Note vom Kardamom herrührend aus, das Leder scheint mit Tee eingerieben worden zu sein aber ganz sachte. Auch hier hält sich der Safran im Hintergrund. Dieser derbe Weihrauch wird durch die Rosen in neue Hemisphären geführt und das ist bemerkenswert. Normalerweise ersticken mich Rosen, hier erahnt man sie als Teil des Ganzen. All das umspielt den Nukleus: das Leder. Hervorragend.


Zum Schluss einige Tipps, wer noch nicht genug an Empfehlungen hat: mein Frühlingsleder ist Tomo Vetiver aufgrund der Kombination mit dem Rhabarber welcher hier eher Rhabarbermarmelade denn noch säuerlicher Rhabarber frisch vom Feld ist.

Wer auf frisch abgezogen und fellig steht, der sollte Miguel Matos Doraphilia testen (der Name sagt schon alles) oder sich mit The Black Knight von Bianchi beschäftigen. In diesem Bereich muss man allerdings fortgeschritten unterwegs sein, denn teilweise erinnert das an frisch abgezogen und/oder noch lebend.

Cuir Andalou ist aufgrund der Kompromisslosigkeit auch eine Empfehlung, olfaktorisch ein dreckig-öliges und ehrliches Werk. Authentizität ist hier das Zauberwort.

Bei Leder mit Wacholder stellt sich die Gretchenfrage, ein spannender Vertreter wäre hier von Maison Mona di Orio - Les Nombres d'Or - Cuir.

Hiermit möchte ich enden. Ich hoffe, ich konnte Interessenten einen kleinen Einblick ermöglichen. Natürlich existieren unzählige weitere Lederrichtungen. Leder ist per se unterschiedlich, da man genauer definieren müsste um welches Leder von welchem Tier es sich denn handelt. Aber ich wiederhole mich.

Ein Wort zum Birkenteer, welchen ich bewusst außen vor gelassen habe. Birkenteer in seiner rauchigen Form was moderne Düfte angeht, erinnert mich selbst nicht zwingend an Leder sondern eben an Rauch. Eine Referenz ist für mich Birch Tar and Russian Leather, hat aber nicht viel mit Leder zu tun.

Also: es gibt noch viel zu entdecken!

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