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Top Rezension
Armin Heinemann und die Hippies
Unkommentierte Duft No. 151
Zum ersten Mal betrat ich Ibiza in den frühen 70er-Jahren als Kind und ich bin meiner Mutter dafür noch heute dankbar, dass sie offenbar von dem Hippie-Lebensgefühl, von dem bei uns im Alltag bis auf ein paar Schlaghosen und weiße Blusen nur wenig spürbar war, so angesteckt wurde, dass es um '72 herum ein Urlaub auf der weißen Insel sein musste. Das war prägend. Später war ich deshalb von den 80ern (mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau) und später mit unseren Kindern noch öfter dort, auch wenn Ibiza kein bevorzugtes Reiseziel wurde. Den Spirit, den die Inseln Ibiza und Formentera auch heute noch wenigstens im Herbst, wenn die Heerscharen der Feiernden weitergezogen sind wie die Zugvögel, in magischer Weise ausstrahlen, trage ich in meinem Herzen. Das ist ein Lebensgefühl, das für die meisten zwar nur mit einer Utopie verbunden bleibt, das aber gerade deshalb magisch wirkt.
Einer der bekanntesten Hippies der Insel ist Armin Heinemann, dessen Kultboutique Paula's in den Seventies zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Hippie-Kommune (so nannte man damals Communities) gehörte. Über und über alle Wände mit den legendären Blumenmustern bedruckt, wurde dort geöffnet, wenn man es für angeraten hielt, und die Mode aus dem Laden war etwas, das man heute als Kult bezeichnen würde.
Um 2000 schloss der Laden, Armin Heinemann ging in den sicherlich verdienten Ruhestand, bemühte sich weiterhin eine Legende zu sein und harrte der Dinge. Vor etwa drei Jahren hatte dann der Kreativdirektor von Loewe, Jonathan Anderson, die Idee, die Kollektionen von Paula's wieder zum Leben zu erwecken. Das Faszinierende für mich dabei ist, dass die Hippiemode bereits derartig viele Revivals erlebt hat, dass irgendwas an ihr dran sein muss: Spirit, Spirituelles, Essentielles, ein Lebensgefühl, das tief drin in den meisten Menschen etwas zum Leuchten bringt. Vielleicht liegt es auch an Armin Heinemann, der wieder mitwirken, seine "Schwingungen" in die Kollektion einbringen darf und weiterhin auf seiner legendären Finca ohne Strom und Wasser und mit Naturdusche wohnt. Gelegentlich besucht ihn mal ein Kamerateam des deutschen Fernsehens und präsentiert ihn wie ein exotisches Tier aus dem Zoo. Ich hoffe und vermute, der Sympathling lässt es sich gut bezahlen.
Nun also auch der Duft zur empfindlich teuren Paula's-Kollektion von Loewe, die preislich so gar nicht zum Lebensgefühl und zum Etat eines durchschnittlichen Hippies in den 70ern passt. Die schnuckeligen Fetzen kosten leicht ein paar Hunderter und werden in Vogue & Co. von Topmodels vorgeführt.
Ist der Duft den Zinnober um die alte neue Marke wert? Sicherlich kann er das gar nicht, es sei denn, man hätte schlicht eine Flasche Patchouliöl mit ein paar Gramm Gras verrührt und in Flaschen gefüllt und sich bei Loewe amüsiert, dass etliche Modeverrückte auch dafür ein paar Hunderter bezahlen, - aber das hier ist was ganz anderes, nämlich ein eher heller, frischer Duft, der nonchalant zu seinem Regenbogenflakon passt.
Die Inhaltsstoffe waren es, die mich neben der ganzen Hare-Krishna-Melancholie dazu bewogen, meiner Frau diesen Blindbuy zu schenken. Einfach so. Ich berichte bei Gelegenheit, wie er ihr gefallen hat.
Gehen wir es ganz unpippisch korrekt an und prüfen die Inhaltsstoffe.
Galbanum: Ja, ist gut zu riechen und da bin ich ja schon mal froh drüber.
Kokoswasser: Passt eigentlich ganz gut und es handelt sich hier nicht um diese süßen Bountyvarianten, sondern wirklich fast um Kokos-WASSER! Sehr frisch, sehr neutral, wenig süß, wie aus der Kokosnuss von Lake Toba auf Sumatra, wo ich mit meiner Frau Anfang der 90er als Student*in weilte und wo damals die Zeit stehen geblieben war und die Hippiefossile dort nicht mitbekamen, dass das Jahr 1990 und nicht 1970 hieß.
Dann früchtelt es ein bisschen nach Mandarine und das mag ich immer ganz gerne, auch wenn ich vermute, dass da eher ordinärer Frucht-Ester enthalten sein dürfte. Es riecht trotzdem nicht übel.
Wenn wir schon gerade bei Indonesien sind, muss ich dran erinnern, dass bei den Inhaltsstoffen auch indonesisches Patchouli erwähnt wird, aber auch wenn man das natürlich erwarten durfte, riecht es hier kaum danach. Schade!
Vom Rest rieche ich am ehesten noch Frangipani, die man so schön im Haar tragen kann, wenn es lang ist, und alles in allem hat der Duft schon so einiges an Hippie-Flair zu bieten, auch wenn ich mir da mehr erwartet hätte.
Das Ganze ist natürlich irgendwie ein Hype für Alt- und Neu-Hippies, aber was macht das schon, wenn der Duft so nett und hübsch geworden ist. Sicherlich werden ihn einige hassen, aber ich kann das schon deshalb nicht, weil ich vermutlich als Kind mit meiner Mutter auch in Armins Boutique stand und wer weiß, ob nicht damals dieses Batik-T-Shirt, das ich in diesem Summer of 72 so gerne trug, von dort stammte.
Meine Mutter konnte sich nicht mehr erinnern. Ich auch nicht. Ich war fünf.
Hare Krishna!
Zum ersten Mal betrat ich Ibiza in den frühen 70er-Jahren als Kind und ich bin meiner Mutter dafür noch heute dankbar, dass sie offenbar von dem Hippie-Lebensgefühl, von dem bei uns im Alltag bis auf ein paar Schlaghosen und weiße Blusen nur wenig spürbar war, so angesteckt wurde, dass es um '72 herum ein Urlaub auf der weißen Insel sein musste. Das war prägend. Später war ich deshalb von den 80ern (mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau) und später mit unseren Kindern noch öfter dort, auch wenn Ibiza kein bevorzugtes Reiseziel wurde. Den Spirit, den die Inseln Ibiza und Formentera auch heute noch wenigstens im Herbst, wenn die Heerscharen der Feiernden weitergezogen sind wie die Zugvögel, in magischer Weise ausstrahlen, trage ich in meinem Herzen. Das ist ein Lebensgefühl, das für die meisten zwar nur mit einer Utopie verbunden bleibt, das aber gerade deshalb magisch wirkt.
Einer der bekanntesten Hippies der Insel ist Armin Heinemann, dessen Kultboutique Paula's in den Seventies zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Hippie-Kommune (so nannte man damals Communities) gehörte. Über und über alle Wände mit den legendären Blumenmustern bedruckt, wurde dort geöffnet, wenn man es für angeraten hielt, und die Mode aus dem Laden war etwas, das man heute als Kult bezeichnen würde.
Um 2000 schloss der Laden, Armin Heinemann ging in den sicherlich verdienten Ruhestand, bemühte sich weiterhin eine Legende zu sein und harrte der Dinge. Vor etwa drei Jahren hatte dann der Kreativdirektor von Loewe, Jonathan Anderson, die Idee, die Kollektionen von Paula's wieder zum Leben zu erwecken. Das Faszinierende für mich dabei ist, dass die Hippiemode bereits derartig viele Revivals erlebt hat, dass irgendwas an ihr dran sein muss: Spirit, Spirituelles, Essentielles, ein Lebensgefühl, das tief drin in den meisten Menschen etwas zum Leuchten bringt. Vielleicht liegt es auch an Armin Heinemann, der wieder mitwirken, seine "Schwingungen" in die Kollektion einbringen darf und weiterhin auf seiner legendären Finca ohne Strom und Wasser und mit Naturdusche wohnt. Gelegentlich besucht ihn mal ein Kamerateam des deutschen Fernsehens und präsentiert ihn wie ein exotisches Tier aus dem Zoo. Ich hoffe und vermute, der Sympathling lässt es sich gut bezahlen.
Nun also auch der Duft zur empfindlich teuren Paula's-Kollektion von Loewe, die preislich so gar nicht zum Lebensgefühl und zum Etat eines durchschnittlichen Hippies in den 70ern passt. Die schnuckeligen Fetzen kosten leicht ein paar Hunderter und werden in Vogue & Co. von Topmodels vorgeführt.
Ist der Duft den Zinnober um die alte neue Marke wert? Sicherlich kann er das gar nicht, es sei denn, man hätte schlicht eine Flasche Patchouliöl mit ein paar Gramm Gras verrührt und in Flaschen gefüllt und sich bei Loewe amüsiert, dass etliche Modeverrückte auch dafür ein paar Hunderter bezahlen, - aber das hier ist was ganz anderes, nämlich ein eher heller, frischer Duft, der nonchalant zu seinem Regenbogenflakon passt.
Die Inhaltsstoffe waren es, die mich neben der ganzen Hare-Krishna-Melancholie dazu bewogen, meiner Frau diesen Blindbuy zu schenken. Einfach so. Ich berichte bei Gelegenheit, wie er ihr gefallen hat.
Gehen wir es ganz unpippisch korrekt an und prüfen die Inhaltsstoffe.
Galbanum: Ja, ist gut zu riechen und da bin ich ja schon mal froh drüber.
Kokoswasser: Passt eigentlich ganz gut und es handelt sich hier nicht um diese süßen Bountyvarianten, sondern wirklich fast um Kokos-WASSER! Sehr frisch, sehr neutral, wenig süß, wie aus der Kokosnuss von Lake Toba auf Sumatra, wo ich mit meiner Frau Anfang der 90er als Student*in weilte und wo damals die Zeit stehen geblieben war und die Hippiefossile dort nicht mitbekamen, dass das Jahr 1990 und nicht 1970 hieß.
Dann früchtelt es ein bisschen nach Mandarine und das mag ich immer ganz gerne, auch wenn ich vermute, dass da eher ordinärer Frucht-Ester enthalten sein dürfte. Es riecht trotzdem nicht übel.
Wenn wir schon gerade bei Indonesien sind, muss ich dran erinnern, dass bei den Inhaltsstoffen auch indonesisches Patchouli erwähnt wird, aber auch wenn man das natürlich erwarten durfte, riecht es hier kaum danach. Schade!
Vom Rest rieche ich am ehesten noch Frangipani, die man so schön im Haar tragen kann, wenn es lang ist, und alles in allem hat der Duft schon so einiges an Hippie-Flair zu bieten, auch wenn ich mir da mehr erwartet hätte.
Das Ganze ist natürlich irgendwie ein Hype für Alt- und Neu-Hippies, aber was macht das schon, wenn der Duft so nett und hübsch geworden ist. Sicherlich werden ihn einige hassen, aber ich kann das schon deshalb nicht, weil ich vermutlich als Kind mit meiner Mutter auch in Armins Boutique stand und wer weiß, ob nicht damals dieses Batik-T-Shirt, das ich in diesem Summer of 72 so gerne trug, von dort stammte.
Meine Mutter konnte sich nicht mehr erinnern. Ich auch nicht. Ich war fünf.
Hare Krishna!
68 Antworten


Den Duft muss ich testen ich fliege bald nach Ibiza :-)
Ich habe die Insel zwar erst nach Paulas Zeiten kennen und lieben gelernt und den Duft kenne ich nicht, aber es war schön in diesen tristen Tagen mal kurz abtauchen zu dürfen.
Ich lasse Dir einen liebevollen Musikgruß da: Thunderclap Newman: "Something in the air".
Den Duft kenne ich , ist nett mit free Spirit, nicht meins aber für die in unsere Zeit geretteten Freigeister von damals sehr cool.
Ibiza war für mich damals als Arbeiterkind leider gaaanz weit weg.
1972 war ich 16 und natürlich trotzdem voll im Hippie Hype.
Was mir heute noch dazu einfällt ist, dass die ganz frühen Hippies in meinem Umfeld anfangs gar nicht nach Patchouli sondern nach floralen Räucherstäbchendüften (und allem anderen, was es sonst noch im Dritteweltladen gab) rochen, und Patchouli erst einige Jahre später aufkam und zur uniformen Duftaura wurde.
PS: Hoffe, der gefällt auch Deiner Frau!
Toller und informativer Kommentar!
Nun verstehe ich auch den Namen des Duftes, der sich mir sonst nicht erschlossen hätte:-)
Flakon top, Duft will ich mal testen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Der Flakon spiegelt auch gut die 70er. Ich bin gespannt, ob mir der Duft gefällt.